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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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eingetroffen. Marino hat die Shorts mitgenommen. Den Hund hat er ihr
gelassen und ihr versprochen, zu behaupten, der Mörder hätte den Basset
gestohlen, ihn vermutlich getötet und den Kadaver irgendwo vergraben. Wirklich
erstaunlich, wie nett und ritterlich er zu Frauen sein kann, die er nicht näher
kennt.
    Der Regen fällt gnadenlos.
Eiskalte Finger klopfen auf Lucys Schädel. Sie läuft hin und her, achtet aber
darauf, dass Marino und Shandy sie nicht sehen können, falls sie zufällig ans
Fenster treten. So dunkel es auch sein mag, Lucy geht kein Risiko ein.
Inzwischen hat Marino das Telefonat beendet.
    »Du hältst mich wohl für total
verblödet! Glaubst du, ich hätte nicht gemerkt, mit wem du redest und dass du
aufpasst, damit ich nicht mitkriege, was du sagst? Die Heimlichtuerei kannst du
vergessen!«, kreischt Shandy. »Als ob ich so doof wäre, auf das Theater
reinzufallen. Du hast mit der großen Chefin telefoniert!«
    »Das geht dich einen Scheißdreck
an! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich telefonieren kann, mit wem ich
will?«
    »Natürlich geht es mich etwas
an. Schließlich hast du die Nacht mit ihr verbracht, du verlogener Wichser. Ich
habe früh am nächsten Morgen dein verdammtes Motorrad vor ihrer Tür gesehen. Du
willst mich wohl für dumm verkaufen! Hat es wenigstens Spaß gemacht? Ich weiß
doch, wie sehr du auf sie stehst. War es schön, du verblödetes, fettes
Arschloch?«
    »Keine Ahnung, wer dir die
Flausen in dein verwöhntes Köpfchen gesetzt hat, dass alles auf der Welt deine
Angelegenheit ist. Lass mich endlich in Ruhe, kapiert?«
    Nach weiteren üblen
Beschimpfungen stürmt Shandy türenknallend aus dem Haus. Aus ihrem Versteck
beobachtet Lucy, wie sie zornig zu ihrem Motorrad marschiert, das unter Marinos
Fischerhütte steht. Wütend zerrt sie das Motorrad durch den sandigen kleinen
Vorgarten und braust mit aufheulendem Motor davon in Richtung Ben Sawyer
Bridge. Lucy wartet ein paar Minuten und lauscht, um sicherzugehen, dass Shandy
nicht zurückkommt. Bis auf das Rauschen des Straßenverkehrs in der Ferne und
das Prasseln der Regentropfen herrscht Stille. Sie klopft an Marinos Tür. Er
reißt sie auf, und plötzlich wirkt seine aufgebrachte Miene verdutzt, während
nacheinander verschiedene Gefühle in seinen Augen zu sehen sind wie die Symbole
auf den Walzen eines Spielautomaten.
    »Was machst du denn hier?«,
fragt er und blickt über ihre Schulter, als befürchte er, Shandy könnte wieder
aufkreuzen.
    Lucy tritt in seinen schäbigen
Schlupfwinkel, den sie besser kennt, als er ahnt. Sie stellt fest, dass der
USB-Stick noch immer im Computer steckt. Der falsche iPod samt Ohrhörer
befindet sich inzwischen in einer Tasche ihrer Regenjacke. Währenddessen
schließt Marino die Tür und stellt sich davor. Von Minute zu Minute wirkt er
verlegener. Lucy lässt sich auf der modrig riechenden Couch nieder.
    »Ich habe gehört, dass du Shandy
und mir nachspioniert hast, als wir in der Leichenhalle waren. Seit wann
übernimmst du die Methoden des Heimatschutz-Ministeriums?«, geht er sofort zum
Angriff über, offenbar in der Annahme, dass sie deswegen hier ist. »Du
solltest inzwischen klug genug sein, mit mir nicht so einen Mist abzuziehen.«
    Er glaubt anscheinend wirklich,
sie einschüchtern zu können, obwohl er aus Erfahrung wissen müsste, dass das
vergebliche Liebesmüh ist. Es hat nicht einmal in ihrer Kindheit geklappt oder
als sie ein Teenager war und er sie gehänselt, verspottet und manchmal sogar
mit Liebesentzug bestraft hat.
    »Ich habe schon mit Doc
Scarpetta darüber gesprochen«, fährt Marino fort. »Das Thema ist erledigt. Also
brauchst du jetzt nicht mehr darauf rumzuhacken.«
    »Lind du hast tatsächlich nur
mit ihr geredet?« Lucy beugt sich vor, nimmt die Glock aus dem Knöchelhalfter
und richtet sie auf Marino. »Nenn mir einen guten Grund, warum ich dich nicht
abknallen soll«, sagt sie tonlos.
    Er schweigt.
    »Einen einzigen guten Grund«,
wiederholt Lucy. »Du und Shandy, ihr habt euch gerade gestritten wie die
Kesselflicker. Man konnte ihr Gekreische bis raus auf die Straße hören.«
    Sie steht auf, geht zu einem
Tisch hinüber, öffnet eine Schublade, holt den .375er Smith & Wesson heraus, den sie
gestern Abend dort gesehen hat, und lässt die Glock dann wieder in das
Knöchelhalfter gleiten. Dann bedroht sie Marino mit seiner eigenen Waffe.
    »Hier wimmelt es überall von
Shandys Fingerabdrücken. Vermutlich sind auch ausreichend DNA-Spuren von

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