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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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bezweifle sehr, dass das hilfreich wäre«,
antwortet sie. »Für Dr. Seif bin ich ein rotes Tuch.«
     
    Auf dem Weg zum Hotel schlendern sie die dunkle Via
Due Macelli entlang.
    Scarpetta stellt sich vor, wie Drew durch diese
Straßen gegangen ist, und fragt sich, wen sie wohl getroffen haben mag. Wie
sieht der Mann aus? Wie alt ist er? Wie hat er ihr Vertrauen gewonnen? Kannten
Sie sich bereits? Obwohl es helllichter Tag gewesen ist und es auf den Straßen
nur so von Menschen wimmelte, hat sich niemand gemeldet und ausgesagt, er habe
im Anschluss an Drews Begegnung mit dem Pantomimen eine Person gesehen, auf
die ihre Beschreibung passt. Wie kann das sein? Immerhin war Drew eine der
berühmtesten Sportlerinnen der Welt. Und dennoch will sie niemand auf den
Straßen von Rom erkannt haben?
    »War es womöglich doch ein Zufallsverbrechen? Etwa
so wahrscheinlich, als ob man vom Blitz getroffen wird. Aber das werden wir
wohl nie erfahren«, sagt Scarpetta, als sie durch die milde Nacht spazieren.
Ihre Schatten gleiten über alte Gemäuer. »Drew war allein und beschwipst.
Vielleicht hatte sie sich in eine abgelegene Seitengasse verirrt - und da hat
der Täter sich an sie rangemacht. Und dann? Hat er sich erboten, ihr den Weg
zu zeigen, und sie stattdessen an einen Ort gelockt, wo sie ihm auf Gedeih und
Verderb ausgeliefert war? Vielleicht in seine Wohnung? Oder in sein Auto? Wenn
ja, muss er zumindest ein paar Brocken Englisch können. Wie kommt es, dass sie
keiner Menschenseele aufgefallen ist?«
    Benton schweigt. Ihre Schuhe scharren auf dem
Pflaster. Auf der Straße hallen die Stimmen von Menschen, die aus den
Restaurants und Bars kommen. Dröhnende Motorroller und Autos zischen
zentimeterdicht an ihnen vorbei.
    »Angeblich sprach Drew nur ein paar Brocken
Italienisch«, fügt Scarpetta hinzu.
    Die Sterne sind verloschen. Weich bescheint das
Mondlicht die Casina Rossa, das verputzte Haus, wo Keats im Alter von fünfundzwanzig
Jahren an Tuberkulose gestorben ist.
    »Vielleicht hat er sie ja auch schon seit längerer
Zeit verfolgt«, spricht sie weiter. »Oder er kannte sie von früher. Das werden
wir wohl ebenfalls nie wissen, falls er es nicht noch einmal tut und erwischt
wird. Redest du nicht mehr mit mir, Benton? Soll ich hier etwa weiter Monologe
halten?«
    »Was zum Teufel läuft zwischen dir und diesem Kerl?
Oder willst du mich für irgendetwas bestrafen?«, gibt er zurück.
    »Wen meinst du?«
    »Diesen verdammten Capitano, wen sonst?«
    »Die erste Antwort lautet: Da läuft gar nichts, und
es ist albern von dir, so etwas auch nur anzunehmen. Aber darauf kommen wir
noch. Die Sache mit der Bestrafung interessiert mich viel mehr. Du tust, als
wäre es mein Hobby, dich oder andere Leute zu bestrafen.«
    Sie steigen die Spanische Treppe hinauf, was wegen
ihrer verletzten Gefühle und der vielen Gläser Wein ziemlich anstrengend ist.
Die eng umschlungenen Liebespaare und die lachenden Jugendlichen achten nicht
auf sie. Das Hassler erhebt sich, scheinbar in weiter Ferne, hell erleuchtet
wie ein Palast, über die Stadt.
    »Meine Mitmenschen zu bestrafen ist in meinem
Charakter einfach nicht angelegt«, fährt Scarpetta fort. »Ich versuche zwar,
mich und andere zu schützen, aber ich bestrafe niemanden. Insbesondere nicht
jemanden, der mir etwas bedeutet. Und vor allem nicht« - atemlos hält sie inne
- »dich.«
    »Ich kann es dir nicht zum Vorwurf machen, wenn du
Lust hast, dich auch mit anderen Männern zu treffen. Aber sag es mir. Mehr
verlange ich nicht. Spiel mir kein Theater vor wie heute den ganzen Tag. Wir
sind hier nicht mehr auf der Highschool.«
    »Spielen? Theater?«
    »Der Bursche hat dich ja keinen Moment in Ruhe
gelassen«, beschwert sich Benton.
    »Und ich habe mein Möglichstes getan, um ihn auf
Abstand zu halten.«
    »Den ganzen Tag ging das schon so. Er konnte dir
nicht nah genug sein und hat dich vor meinen Augen mit Blicken ausgezogen und
betatscht.«
    »Benton ...«
    »Ich weiß, dass er gut aussieht. Vielleicht fühlst
du dich ja zu ihm hingezogen. Doch in meiner Gegenwart werde ich das nicht
dulden, verdammt!«
    »Benton ...«
    »Dasselbe gilt für die Kerle in Charleston. Ich habe
ja keine Ahnung, was du da treibst!“
    »Benton!« Schweigen.
    »Du redest dummes Zeug. Seit wann, um alles in der
Welt, hast du dir je Sorgen machen müssen, dass ich dich mit Vorsatz betrüge?«
    Bis auf ihre Schritte und ihre schweren Atemzüge ist
es still.
    »Mit Vorsatz«, wiederholt sie. »Denn ich war nur

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