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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ebenfalls verschlossene
Eisenschatulle. Darin liegt eine Flasche Chloroform.
     
    Scarpetta sitzt hinter dem Haus auf den
Backsteinstufen und blickt nicht auf, als sie das unverkennbare Röhren von
Lucys Ferrari hört.
    Der Wagen biegt von der King Street ab und parkt in
der Einfahrt, die Scarpetta mit ihren Nachbarn teilt. Im nächsten Moment
erscheint Lucy, einen Umschlag in der Hand, auf der Terrasse.
    »Das Frühstück ist noch nicht fertig, es gibt nicht
einmal Kaffee«, verkündet sie. »Stattdessen sitzt du hier draußen und hast
rote Augen.«
    »Allergie«, antwortet Scarpetta.
    »Als du das letzte Mal eine Allergie vorgeschützt
hast - an der du übrigens gar nicht leidest -, war gerade ein Vogel gegen ein
Fenster geflogen. Und auf dem Tisch lag eine schmutzige Schaufel, genau wie
jetzt.« Lucy weist auf den alten Marmortisch im Garten, auf dem eine
Gartenschaufel ruht. Daneben, unter einem Klebsamengewächs, befindet sich ein
frischer Erdhaufen, bedeckt mit Tonscherben.
    »Ein Fink«, erklärt Scarpetta.
    Lucy setzt sich neben sie. »Offenbar kommt Benton
nicht übers Wochenende«, sagt sie. »Denn sonst hast du immer eine ellenlange
Einkaufsliste auf der Anrichte liegen.«
    »Er kann sich nicht vom Krankenhaus loseisen.« In
dem kleinen flachen Gartenteich schwimmen die Blütenblätter von chinesischem
Jasmin und Kamelien wie Konfetti.
    Lucy greift nach einem von einem kürzlichen
Regenguss abgeknickten Wollmispelblatt und dreht es am Stiel hin und her. »Hoffentlich
ist das der einzige Grund. Als ihr aus Rom zurückkamt, hattet ihr große
Neuigkeiten - und was hat sich seitdem verändert? Nichts, soweit ich
feststellen kann. Er ist dort, du bist hier. Und ihr plant auch nicht, etwas
dagegen zu tun, richtig?«
    »Seit wann bist du denn Beziehungsexpertin?«
    »Zumindest mit gescheiterten Beziehungen kenne ich
mich aus.«
    »Inzwischen bereue ich, dass ich es überhaupt
jemandem gesagt habe«, erwidert Scarpetta.
    »Ich habe das auch schon mitgemacht, denn mit Janet
war es ganz ähnlich. Endlich hatte man Perversen wie uns offiziell mehr Rechte
zugebilligt als Hunden, und deshalb haben wir uns überlegt, ob wir uns nicht
fest binden und heiraten sollten. Und siehe da, plötzlich kam sie nicht mehr
damit zurecht, dass sie lesbisch ist. Es war aus, bevor es noch richtig
angefangen hatte, und zwar auf ziemlich unschöne Weise.«
    »Unschön? Unverzeihlich würde es besser treffen.«
    »Ich bin diejenige, die ihr nicht verzeihen sollte,
nicht du«, entgegnet Lucy. »Du warst nicht dabei und kannst auch nicht aus Erfahrung
sprechen. Und jetzt Schluss damit.«
    Eine kleine Engelsstatue wacht über den Teich. Was
sie beschützen soll, muss Scarpetta erst noch ermitteln. Vögel offenbar nicht.
Vielleicht ja gar nichts. Sie steht auf und klopft sich den Rock ab.
    »Wolltest du deshalb mit mir sprechen?«, fragt sie.
»Oder ist es dir spontan eingefallen, während ich dasaß und mich elend gefühlt
habe, weil ich einen Vogel einschläfern musste?«
    »Jedenfalls ist es nicht der Grund, warum ich dich
gestern Abend angerufen habe und dich sehen wollte«, antwortet Lucy. Sie spielt
immer noch an dem Blatt herum.
    Ihr hinter die Ohren zurückgeschobenes Haar,
kirschholzrot mit rotgoldenen Strähnchen, ist frisch gewaschen und glänzt. Sie
trägt ein schwarzes T-Shirt, das eine traumhafte Figur betont, hart erarbeitet
durch gnadenloses Training, allerdings auch das Ergebnis guter Gene. Scarpetta
hat eine Vermutung, was ihre Nichte von ihr wollen könnte, möchte aber nicht
nachfragen. Also setzt sie sich wieder.
    »Dr. Seif.« Lucy schaut in den Garten, und zwar mit
dem starren Blick eines Menschen, der nur das sehen kann, was ihn momentan
belastet.
    Mit dieser Antwort hat Scarpetta nicht gerechnet.
»Was soll mit ihr sein?«
    »Ich habe dir doch immer geraten, deine Feinde im
Auge zu behalten«, sagt Lucy. »Aber du hast auf Durchzug geschaltet und
ignoriert, dass sie seit dem Prozess jede Gelegenheit nutzt, dir Knüppel
zwischen die Beine zu werfen. Sie bezeichnet dich öffentlich als Lügnerin und
als unprofessionelle Luftnummer. Du solltest mal selbst im Internet googeln.
Ich habe alles recherchiert und den Mist, den sie verzapft, an dich
weitergeleitet. Doch du hast es kaum eines Blickes gewürdigt.«
    »Woher willst du das so genau wissen?«
    »Immerhin bin ich dein Systemadministrator. Also
kann ich sehr gut erkennen, wie lange du eine Datei geöffnet hast. Du solltest
dich wehren.«
    »Wogegen?«
    »Gegen die

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