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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Er schüttelt ihr nicht die
Hand, eine Geste, die er ohnehin möglichst vermeidet. »Wir sind sozusagen das
erste Bestattungsinstitut am Platz. Familienbetrieb. Ich und meine beiden
Brüder.« Er weist mit dem Daumen in den hinteren Teil des Leichenwagens. »Zu
Hause gestorben. Vermutlich Herzinfarkt. Orientalin. Alt wie Methusalem.
Wahrscheinlich haben Sie ihre Daten bereits. Arbeitet Ihre Nachbarin beim Geheimdienst?«
Er blickt zum Fenster hinauf.
    »Ich habe den Fall gestern Abend mit dem
Leichenbeschauer erörtert«, entgegnet Scarpetta im selben knappen Ton wie
vorhin. »Woher haben Sie diese Adresse?«
    »Der Leichenbeschauer ...«
    »Er hat Ihnen diese Adresse gegeben? Er weiß doch, wo meine Praxis ist.«
    »Nein, Moment mal. Ich bin noch nicht lange im
Außendienst. Es hat mich zu Tode gelangweilt, am Schreibtisch zu sitzen und
mich mit den trauernden Familien herumzuschlagen. Also habe ich beschlossen,
dass es an der Zeit ist, mich einmal selbst ans Steuer zu setzen.«
    »Mr. Meddick, Ermittler Marino ist auf dem Weg zum
Autopsiesaal. Ich habe ihn gerade angerufen. Bitte fahren Sie jetzt endlich
los. Ich kann es mir nicht leisten, einen Leichenwagen hinter dem Haus stehen
zu haben.«
    Als er erneut das Gummiband schnalzen lässt,
betrachtet sie ihn argwöhnisch. Dann fällt ihr Blick auf das Polizeifunkgerät
in seinem Leichenwagen. Er fährt mit der Zunge über die durchsichtige
Plastikschiene, die er über den Zähnen trägt, damit er nicht an den Nägeln
kauen kann.
    »Bitte fahren Sie jetzt in meine Praxis.« Sie schaut
hinauf zu der Nachbarin, die sie noch immer beobachtet. »Ermittler Marino erwartet
Sie.« Sie tritt einen Schritt zurück, bemerkt plötzlich etwas hinten am
Leichenwagen und bückt sich, um es sich genauer anzuschauen. »Heute ist
offenbar nicht Ihr Tag«, sagt sie kopfschüttelnd.
    Er steigt aus und traut seinen Augen nicht.
»Scheiße!«, flucht er. »Gottverdammte Scheiße!«
     
    4
     
    Die Firma
Coastal Forensic Pathology Associates residiert unweit des College of Charleston. Sitz des Unternehmens ist ein zweistöckiges
Backsteingebäude aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg, das während des Erdbebens im
Jahr 1886 auf seinen Fundamenten verschoben wurde und sich seitdem
ein wenig zur Seite neigt. Das behauptete zumindest der Immobilienmakler, als
Scarpetta das Haus - aus Gründen, die Pete Marino bis heute nicht versteht -
gekauft hat.
    Es waren hübschere Gebäude auf dem Markt, nagelneue,
die sie sich ebenfalls hätte leisten können. Doch irgendein Teufel hat sie,
Lucy und Rose geritten, sich für ein Haus zu entscheiden, das mehr Arbeit
gemacht hat, als Marino es sich je hätte träumen lassen. Monatelang haben sie
schichtenweise Farbe und Lack von den Wänden gekratzt, Wände eingerissen,
Fenster ausgetauscht und das Dach neu mit Schieferpfannen gedeckt. Dann haben
sie sich auf die Suche nach gebrauchten Einrichtungsgegenständen gemacht - das
meiste gerettet aus Bestattungsunternehmen, Krankenhäusern und Restaurants -,
bis sie schließlich einen ziemlich respektablen Autopsiesaal beisammenhatten.
Dazu gehören eine spezielle Entlüftungsanlage, Abzugshauben für
Chemikaliendämpfe, ein Notstromaggregat, begehbare Kühl- und Gefrierkammern,
ein Raum für verwesende Leichen, Instrumentenwagen und rollbare Bahren. Wände
und Böden sind mit wasserfestem Lack versiegelt. Außerdem hat Lucy auf einem
drahtlosen Sicherheits- und Computersystem bestanden, das für Marino ebenso
geheimnisvoll bleiben wird wie der Da-Vinci-Code.
    »Wer zum Teufel könnte auf die Idee kommen, in
diesen Laden einzubrechen?«, meint er zu Shandy Snook, während er eine Reihe
von Ziffern eingibt, um die Alarmanlage an der Tür zwischen Laderampe und
Autopsiesaal abzuschalten.
    »Bestimmt eine Menge Leute«, erwidert sie. »Wir
wollen uns mal umschauen.«
    »Nein, kommt überhaupt nicht in Frage.« Er schiebt
sie zu einer weiteren alarmgesicherten Tür.
    »Ich möchte zu gern mal eine Leiche sehen.«
    »Nein.«
    »Wovor hast du Angst? Anscheinend fürchtest du dich
wirklich vor ihr«, höhnt Shandy, während sie eine knarzende Stufe nach der
anderen hinaufsteigt. »Du benimmst dich, als wärst du ihr Sklave.«
    Schon wieder dieselbe alte Leier. Marino kann es
langsam nicht mehr hören. »Wenn ich Angst vor ihr hätte, würde ich dich gar
nicht hier reinlassen. Da könntest du mich löchern, so lange du willst. Hier
wird alles mit Kameras überwacht. Wenn ich Angst vor ihr hätte, müsste ich blöd
sein,

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