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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Garten umherläuft und gelegentlich ein tiefes, kehliges Jaulen
ausstößt.
    »Guter Hund!«, ruft sie ihm dann zu. Oder »Böser
Hund!«, was ein bisschen öfter vorkommt. »Sofort bei Fuß!« Dabei klatscht sie
in die Hände.
    Aber sie streichelt ihn nicht und sieht ihn kaum an.
Ohne den Hund wäre ihr Leben unerträglich. Doch der Hund ahnt nichts davon.
Wahrscheinlich erinnert er sich nicht an das, was geschehen ist, und hat es
sicher auch damals nicht verstanden. Er kennt nur seinen Zwinger in der
Waschküche, wo er schläft und dasitzt und jault. Sie achtet nicht auf sein
Gekläffe, denn sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, Wodka zu trinken,
Tabletten zu schlucken und sich die Haare auszureißen. So geht es Tag um Tag um
Tag.
    Bald werde ich dich in den Armen halten und dich
durch die innere Dunkelheit in ein höheres Reich tragen. Dann wirst du frei von
der Körperlichkeit sein, die derzeit deine Hölle ist. Du wirst dich bei mir
bedanken.
    Darauf bedacht, von niemandem gesehen zu werden,
verharrt Will auf seinem Beobachtungsposten. Er schaut zu, wie sie vom Sofa
aufsteht und betrunken zur Schiebetür torkelt, um eine rauchen zu gehen. Wie
immer hat sie die Alarmanlage vergessen. Als die Sirene losgeht, zuckt sie
zusammen, stößt einen Fluch aus und wankt zur Bedienungskonsole, um sie
abzuschalten. Das Telefon läutet. Sie fährt sich mit den Fingern durch das
schüttere dunkle Haar, antwortet etwas und knallt dann kreischend den Hörer
hin. Will kauert sich tief hinter das Gebüsch und rührt sich nicht. Kurz darauf
trifft die Polizei ein: zwei Beamte in einem Streifenwagen des Sheriffs von
Beaufort County. Unbemerkt verfolgt Will, wie die Polizisten auf der Veranda
stehen bleiben. Da sie sie kennen, sparen sie sich die Mühe, ins Haus zu gehen.
Wieder einmal hat sie ihr Passwort vergessen, und deshalb hat die
Sicherheitsfirma - ebenfalls wieder einmal - die Polizei verständigt.
    »Ma'am, ich würde Ihnen sowieso davon abraten, den
Namen Ihres Hundes als Passwort zu nehmen«, erklärt einer der Polizisten ihr
zum wohl hundertsten Mal. »Denken Sie sich besser ein anderes aus. Der Name
des Haustiers ist doch das Erste, was ein Einbrecher ausprobiert.«
    »Wenn ich schon den Namen von meinem dämlichen Köter
vergesse«, lallt sie, »wie soll ich mir dann ein anderes Wort merken? Ich weiß
nur, dass der Hundename auch das Passwort ist. Ach, verdammt, Buttermilk. Da habe
ich ihn wieder!«
    »Schon gut, Ma'am. Sie sollten das Passwort trotzdem
ändern. Wie ich schon sagte, ist der Name eines Haustiers nicht unbedingt
geeignet. Es muss doch etwas geben, das Sie behalten können. In dieser Gegend
finden ziemlich häufig Einbrüche statt, insbesondere um diese Jahreszeit, wenn
so viele Häuser leer stehen.«
    »Ich kann mir aber nichts anderes merken.« Sie
bringt kaum ein verständliches Wort heraus. »Wenn das Ding losgeht, ist mein Gehirn
wie leergefegt.«
    »Sind Sie sicher, dass wir Sie allein lassen können?
Oder sollen wir jemanden anrufen?«
    »Ich habe niemanden mehr.«
    Schließlich fahren die Polizisten davon. Will
kriecht aus seinem Versteck und beobachtet durch ein Fenster, wie sie die
Alarmanlage aktiviert. Eins,
zwei, drei, vier. Immer derselbe Code, der
einzige, den sie nicht vergisst. Dann sieht er sie auf der Couch sitzen. Sie
weint wieder und schenkt sich ein neues Glas Wodka ein. Der Zeitpunkt passt
nicht mehr. Er folgt dem Steg zurück zum Strand.
     
        8
     
    Am nächsten Morgen, acht Uhr Pazifik-Sommerzeit:
Lucy stoppt den Wagen vor dem Stanford-Krebszentrum.
    Wenn sie ihre Citation X nach San Francisco fliegt
und sich für die einstündige Fahrt zu ihrem Neuroendokrinologen einen Ferrari
mietet, fühlt sie sich genauso überlegen wie zu Hause. Die enge Jeans und das
auf Figur geschnittene T-Shirt betonen ihren durchtrainierten Körper, was sie
mit derselben Lebendigkeit erfüllt, die sie auch zu Hause empfindet. Die schwarzen
Stiefel aus Krokodilleder und die Titanuhr von Breitling mit ihrem
grellorangefarbenen Zifferblatt sagen ihr, dass sie noch immer die furchtlose
und zu Hochleistungen fähige Lucy ist - so als wäre alles mit ihr in bester
Ordnung.
    Sie fährt das Fenster des roten F430 Spider
herunter. »Könnten Sie den Wagen bitte parken?«, wendet sie sich an den in Grau
gewandeten Parkwächter, der sich ihr vom Eingang des modernen Gebäudes aus Glas
und Backstein her mit argwöhnischem Blick nähert. Sie kennt ihn nicht.
Offenbar ein Neuer. »Er hat eine Formel- 1

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