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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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Conrad reden wollten, weswegen dann?«
    »Wir glauben, dass er ermordet worden ist«, erklärte der Commissaris, »und ich dachte, Sie könnten vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen.«
    Das Zyklopenauge der Zigarre blinzelte. »Conrad? Ermordet? Vom wem denn?«
    »Ich hatte gehofft, das könnten Sie mir sagen.«
    Der alte Feuerwehrmann dachte nach. Dann sagte er: »Es wardas Haus. Das Haus und die Kinder. Es waren die Kinder.« Er beugte sich vor, auf den Commissaris zu. »Wissen Sie, Mijnheer, ich bin froh, dass ich nicht mehr sehr lange habe, höchstens noch ein paar Jahre. Warum lebt man eigentlich immer weiter, können Sie mir das erklären? Wenn ich mir die Welt so anschaue – glauben Sie, dass es in ein paar Jahren noch sehr viele Leute geben wird, die man kennen möchte?«
    »Es gibt jetzt schon ziemlich wenige«, antwortete Van Leeuwen.
    De Boer nickte. Er stand auf und ging im Dunkeln zu der Bauerntruhe, wo er die Glühlampe im Inneren des Globus einschaltete. Die Erdkugel leuchtete in grünlichen Aquariumfarben. Ein Widerschein davon fiel auf das Gesicht des alten Mannes. »Das ist sie«, sagte er, »darauf gibt es das alles. Schauen Sie her, sehen Sie genau hin: Das, verdammt noch mal, ist sie!« Damit versetzte er der Kugel einen leichten Stoß, damit sie sich drehte. »Das ist sie!« Als sie langsamer zu werden begann, stieß er sie erneut an. Mit immer rascheren Schlägen trieb er sie zu immer schnelleren Umdrehungen, und dabei rief er: »Schauen Sie her, schauen Sie! Schauen Sie, das ist sie …!«

33
    Der Commissaris ließ die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite herunter und betrachtete das Haus, in dem Sara Scheffer sieben Kinder getötet hatte. Am Horizont schrumpfte das letzte Licht zu einem violetten Streifen dicht über den Feldern. Der Ostwind trieb graue Wolken vor sich her, die zum ersten Mal in diesem Jahr nach Schnee aussahen. Der Commissaris spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief, der nicht von der Kälte herrührte.
    »Soll ich mit ihr reden?«, fragte Hoofdinspecteur Gallo.
    »Ja«, sagte Van Leeuwen, »rede du mit ihr.«
    Der Hoofdinspecteur stieg aus und ging auf dem Feldweg, der zu dem Haus führte, bis zur nächsten Hofeinfahrt. Es gab nur fünf Häuser rechts und links des Feldwegs, und alle sahen gleich aus,vor allem bei Dunkelheit. Gallo ging zu dem, in dem Mevrouw Janneke Geers wohnte. In drei der Häuser brannte Licht hinter einigen Fenstern, und das von Janneke Geers gehörte dazu.
    Die Felder zu beiden Seiten des Weges waren längst abgeerntet und umgepflügt. Von Regenschauern zu schwärzlichen Hügeln eingedickt, ragten Heuhaufen über den pfeilgeraden Furchen auf. Im Geäst der vereinzelten Bäume hockten Krähen und äugten auf den feuchtkalten Nebel hinab, der sich über den Äckern bildete. Der Mond war groß, und wenn die rasch treibenden Wolken ihn nicht verbargen, bedeckte er den Weg mit einem Licht wie feiner Kreidestaub.
    »Es sieht wie ein ganz normales Haus aus«, bemerkte Inspecteur Vreeling hinter dem Commissaris.
    »Wahrscheinlich sah auch Sara Scheffer wie eine ganz normale Frau aus«, sagte Van Leeuwen.
    Brigadier Tambur fragte: »Finden Sie es nicht eigenartig, dass wir nach einem Serientäter suchen und auf eine Serientäterin stoßen?«
    »Was ist eigentlich aus ihr geworden?«, wollte Inspecteur Vreeling wissen.
    »Vor Gericht wurde sie der siebenfachen Kindstötung schuldig gesprochen«, sagte der Commissaris, »und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, die sie in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Anstalt verbüßte. Laut Brandmeister De Boer ist sie da auch gestorben, mit neunundvierzig.«
    Sie saßen im Dunkeln im Wagen und sahen zu, wie Gallo an der Tür des Nachbarhauses klingelte. Nachdem der alte Feuerwehrmann dem Commissaris alles gesagt hatte, was er über Conrad Mueller wusste, war Van Leeuwen hinaus auf den Hof gegangen, um Gallo zurückzurufen. Der Hoofdinspecteur, Vreeling und Julika Tambur hatten sich inzwischen in Steenwijk und Umgebung umgehört und ebenfalls von den toten Kindern erfahren. Der Krämer hatte den Namen Janneke Geers erwähnt, Mevrouw Geers, die Sara Scheffer am besten gekannt hatte, weil sie ihre Nachbarin gewesen war. Van Leeuwen hatte Gallo gebeten, ihn abzuholen und mit ihm zu SaraScheffers Haus zu fahren, obwohl er nicht genau wusste, was er sich davon versprach.
    Gallo klingelte noch einmal, dann klopfte er an die Haustür. Eine Frau öffnete ein Fenster im Erdgeschoss und

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