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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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anzusetzen. Ein durchdringendes Hupen erklang, so laut und nah, dass Van Leeuwen es bis in den Herzmuskeln spürte. Gallo riss das Steuer zurück und blickte in den Innenspiegel. »Was ist denn mit dem los?«
    Van Leeuwen sah in den Außenspiegel und entdeckte einen Tanklastwagen, der sich schnell näherte. Die Scheinwerferbatterie über der Stoßstange des Sattelschleppers flammte auf. Das Gesicht des Fahrers war nicht zu sehen, nur die Stoßstange und die Scheinwerfer und der Kühlergrill im Rückfenster. Das dumpfe Dröhnen des Fünfhundert-Ps-Motors mischte sich mit dem polyfonen Tuten der Presslufthörner des Trucks. Statt abzubremsen, schwenkte der Lastzug auf die Gegenfahrbahn, um zu überholen, aber die Straße war dafür zu schmal. Der Aluminiumkessel hinter dem Sattelschlepper glänzte im blendenden Licht der tief stehenden Sonne, und jetzt schwenkte der Truck wieder hinter den Golf und fuhr noch dichter auf.
    Julika rief, »Hat der sie noch alle?!« , und dann brüllte auch Vreeling: »Pass doch auf!« , denn Julika hatte ihm den Kaffee auf den Oberschenkel gekippt. Der Fahrer des Trucks hörte nicht auf zu hupen, und das Dröhnen des Motors hing wie eine Glocke über dem Golf. Van Leeuwen spürte, wie er ganz ruhig wurde und alles wie in Zeitlupe sah, Julika und Gallo und Remco und die Stoßstange des Trucks und dann die Plakatwand einer Immobilienfirma am Straßenrand, weiß vor dem rotgoldenen Mais.
    Plötzlich war die Stoßstange nicht mehr im Rückfenster; es war leer bis auf die Straße und die Felder, dafür tauchten die mächtigen Vollgummireifen des Sattelschleppers neben Vreeling auf. Sie schoben sich dicht an dem Golf vorbei, die Hupe blökte weiter, und der Motorenlärm verschluckte jedes Wort. Van Leeuwen sah, dass Gallo versuchte, sich scharf rechts zu halten, so scharf rechts wie möglich,und gleichzeitig nach dem Blaulicht griff, um es aufs Dach zu heften, während vom Asphalt und den Seitenstreifen Staub gegen die Scheiben wallte. Van Leeuwen rief: »Achtung, Ton!«, aber dann waren die Reifen vorbei, und die Stoßstange und die Rücklichter und der gleißende Aluminiumkessel schwenkten vor dem Golf auf die Straße. Nur der aufgeworfene Staub wirbelte noch wie Rauch von einem Brand durch die Luft, und Van Leeuwen dachte: Das war knapp. Gerade noch mal gut gegangen .
    Gallo streckte jetzt den linken Arm mit dem Rundumlicht in der Hand aus dem Fenster. Da rief Julika wieder: »Pass auf, Ton!«, und griff nach seiner Schulter. Der Tankzug bremste plötzlich, mitten in einer Kurve. Mit einer Hand am Lenkrad versuchte Gallo, den Golf zum Stehen zu bringen. Aber die Reifen fassten nicht, das Heck brach aus, und der Wagen schoss über den unbefestigten Seitenstreifen die Böschung hinunter. Das Bild kippte. Julika schrie.
    Der Wagen raste in den Mais und mähte mit kaum gedrosseltem Tempo Reihe um Reihe der hohen Halme nieder. Die großen braunen Blätter klatschten gegen die Scheiben, und Körner und Schoten und ganze Kolben prasselten auf das Dach und die Motorhaube, sie wurden durch das offene Fenster geschleudert, während eine Staubwolke den Wagen einhüllte und Vögel aus dem Feld aufstoben. Und dann schrie niemand mehr, weil der Golf endlich stehen blieb, im Schatten zwischen den Maishalmen.
    Der Motor erstarb.
    Und Ruhe.
    Gallo starrte durch die Windschutzscheibe, beide Hände auf dem Lenkrad und das Blaulicht im Schoß. Der Commissaris nahm das Blaulicht und befestigte es wieder in seiner Halterung. Vreeling klopfte sich Erde und Maiskörner von der Hose. Julika zitterte. Sie zitterte so stark, dass es ihr erst nicht gelang, die Tür zu öffnen, aber dann schaffte sie es doch und stieg aus und ging, weiter zitternd, von dem Wagen weg und in den Mais hinein.
    »Ich habe einen Traum«, sagte Inspecteur Vreeling endlich in die Stille hinein. »Ich sehe einen neuen Tag dämmern, an dem keine Öltankwagen mehr auf unseren Straßen unterwegs sind und alleVerkehrsteilnehmer rücksichtsvoll miteinander umgehen. Ich sehe einen Tag, an dem Polizeibeamte stolz und mit hocherhobenem Haupt in ihren kleinen Dienstwagen über Hollands Straßen fahren, statt sich von dröhnenden Trucks in den Straßengraben drängen zu lassen. Und ich sehe einen Tag, an dem die Polizeibeamten wenigstens ihre Kollegen von der Verkehrsüberwachung informieren, damit sie den Rowdy von der Straße holen, der sie gerade beinahe umgebracht hätte. Ja, diesen Traum habe ich.«
    »Er steht unter Schock«, meinte Hoofdinspecteur

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