Totenfeuer
achte ich immer ganz besonders darauf, ob ich die Autos der Jäger irgendwo stehen sehe.«
»Haben Sie in den frühen Morgenstunden einen Knall gehört?«
»Nein, da habe ich geschlafen.«
Jule und Völxen verabschieden sich. Draußen resümiert Völxen: »Fernando sagt, gegen sieben Uhr wären die Jungs, die am Feuer Wache gehalten haben, weggefahren. Um acht war die Frau mit dem Dackel da, und kurz danach hat der Hund von Frau Schlote angeschlagen. Demnach ist es am wahrscheinlichsten, dass die Leiche zwischen sieben und acht in den Haufen gekommen ist – wie auch immer. Ich denke, am Samstagabend war zu viel los hier oben.«
»Aber genau dann würde ein Auto mehr oder weniger, das hier rauffährt, nicht besonders auffallen«, gibt Jule zu bedenken. »Niemand denkt sich etwas dabei, wenn einer hier anhält, den Kofferraum öffnet und was Schweres rausholt. Man muss nur alleine sein, wenn man gerade die Leiche ablädt.«
Der Kommissar überlegt. »Stimmt. Als ich da war, war sonst keiner da. Aber mit Abladen allein ist es nicht getan, man muss die Leiche ja auch gut verstecken. Dazu muss man mindestens einen dieser schweren Strohballen entfernen, Gestrüpp unten herausziehen, die Leiche, die ja auch nicht gerade leicht ist, irgendwie in die Lücke stopfen, und zwar weit genug rein, dass sie nicht gesehen wird. Das allein stelle ich mir schon recht schwierig vor.«
»Viel schwieriger als Zaunlatten«, bemerkt Jule süffisant.
»Genau. Danach muss man sie wieder gut verbergen. Das alles ist mühsam und dauert seine Zeit.«
»Zumindest, wenn man alleine ist«, gibt ihm Jule recht.
»Sie denken an mehrere Täter?«
»Ich denke gar nichts. Wir wissen einfach noch viel zu wenig«, antwortet Jule.
»Das ist leider wahr«, seufzt Völxen. Er schaut auf die Uhr und sagt: »Nehmen Sie den Dienstwagen, und machen Sie für heute Feierabend, Frau Wedekin. Ich hoffe, Sie kommen noch rechtzeitig zu Ihrem Rendezvous.«
Jule läuft flammend rot an. »Woher wissen Sie …«
»Ich bitte Sie! Sie schielen andauernd auf die Uhr. Ich spreche noch mit den Leuten von der Feuerwehr. Dazu werde ich wohl ein paar Klare trinken müssen, um die Ermittlungsarbeit nicht zu gefährden, und dem möchte ich Sie lieber nicht aussetzen.«
»Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar«, grinst Jule. »Ich fahr noch mal da rauf und sehe mir die Umgebung ein bisschen genauer an. Gestern war es ja stockfinster.«
»Und Sie hatten die falschen Schuhe an«, bemerkt Völxen. »Zwar chic, aber äußerst unpassend.«
Die junge Frau ist dreiundzwanzig, heißt Anna Felk, und sie vermisst seit gestern ihren Vater Roland Felk, geboren am 26. April 1949.
»Den ganzen Sonntag über wollte ich ihn anrufen, aber er ging nicht ans Telefon. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er bei mir vorbeikommt. Na gut, dachte ich, dann wird er sich vielleicht morgen melden – also heute. Aber dann habe ich vorhin diesen Bericht im Fernsehen gesehen, in den Lokalnachrichten. Von dieser … dieser …«
»… über den oder die Tote im Osterfeuer«, beendet Oda den Satz für sie. »Wo wohnt Ihr Vater?«
»In Holtensen.«
Oda fängt an zu begreifen. »Haben Sie schon mit den umliegenden Krankenhäusern telefoniert?«
»Heute früh. Nichts.« Anna Felk streicht sich eine nussbraune Haarsträhne aus dem geröteten Gesicht. »Danach war ich bei ihm im Haus, ich habe einen Schlüssel.« Sie gibt an, im Haus, in dem ihr Vater allein lebe, sei alles in Ordnung gewesen, die Tür abgeschlossen. Nur seinen Volvo hätte sie nirgends entdecken können.
»Wissen Sie das Kennzeichen?«
» H und dann CH , die Zahl weiß ich nicht. Verzeihen Sie, ich bin so durcheinander. Vielleicht fällt es mir später wieder ein.«
»Lassen Sie nur, das kriegen wir schon raus«, versichert Fernando und fragt: »Könnte er einfach nur spontan verreist sein?«
Ihr Nein kommt sehr entschieden.
»Wann haben Sie ihn denn zuletzt gesehen oder gesprochen?«
»Am Karfreitag. Am Abend haben wir dann noch mal telefoniert.«
»Hat Ihr Vater ein Handy?«, will Oda wissen.
»Nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Er will so was nicht. Wegen der Strahlung.«
Oda und Fernando wechseln einen heimlichen Blick.
»Mein Vater hat eine Praxis für Naturheilverfahren in der Südstadt«, erklärt Anna Felk, und es kommt Oda vor, als würde sie diese Auskunft etwas verlegen machen.
»Er ist Heilpraktiker?«
»Eigentlich ist er Internist. Er war Oberarzt am Oststadtkrankenhaus.« Die junge Frau macht eine
Weitere Kostenlose Bücher