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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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der Pfarrer Matthias Jäckel den Hauptkommissar. »Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
    Völxen nickt, und der Pfarrer, der in Jeans und T -Shirt recht leger daherkommt, führt ihn in die Küche, die ganz in Weiß gehalten ist. Der Pfarrer und der Kommissar haben sich im letzten Jahr bei der Feier von Völxens fünfzigstem Geburtstag zu fortgeschrittener Stunde das Du angeboten, aber Jäckel scheint das vergessen zu haben, was Völxen ganz recht ist. »Wie kommen Sie voran in diesem schrecklichen Mordfall?«, will der junge Geistliche nun wissen. Er ist Ende dreißig, und obwohl er schwul ist und daraus keinen Hehl macht, ist er bei den Leuten im Dorf recht beliebt – auch wenn die eine oder andere Lästerei hinter seinem Rücken nicht ausbleibt.
    »Leider nicht so rasch, wie ich möchte«, gesteht Völxen.
    »Und wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ehrlich gesagt hat mich meine Frau zu Ihnen geschickt. Sie meinte, Sie wüssten ein paar Dinge über die Familie Felk, die für mich interessant sein könnten.« Da Sabine ab und zu den Kirchenchor mit der Klarinette begleitet, hat sie einen guten Draht zu dem musikalischen Pfarrer, der selbst E -Gitarre spielt. »Kannten Sie denn Dr. Roland Felk persönlich?«
    »Nein, nur vom Sehen und vom Hörensagen, er war kein Kirchgänger«, antwortet Matthias Jäckel.
    Völxen glaubt aus seinem Tonfall eine gewisse Reserviertheit herauszuhören, deshalb fragt er: »Wie standen Sie denn zu seinen … Methoden?«
    Der Geistliche seufzt. »Ach, wissen Sie, Herr Kommissar, oft bekomme ich von älteren Leuten oder von Kollegen die Klage zu hören, die Menschen würden heutzutage an nichts mehr glauben. Aber das stimmt gar nicht. Heutzutage glauben die Menschen an alles .«
    Er drückt energisch auf die Taste eines Kaffeeautomaten, und während die Maschine lärmt, denkt Völxen über die Worte des Pfarrers nach und kommt zu dem Schluss, dass der Mann recht hat.
    »Ich kenne … kannte Heiner Felk besser, den Vater von Roland Felk, der leider so überraschend am Freitag verstorben ist. Und in dem Zusammenhang wollte ich Ihnen etwas zeigen.« Pfarrer Jäckel entschuldigt sich kurz, dann kommt er wieder und legt einen Zeitungsausschnitt neben Völxens Kaffeetasse. »Kennen Sie diese Geschichte?«
    »Ich hörte Gerüchte darüber«, sagt der Kommissar, nachdem er die Überschrift gelesen hat. Er kramt seine Lesebrille heraus und studiert den Artikel.
    Auf Spurensuche in Deutschland
    Die deutschstämmige Jüdin Thelma de Winter
    besucht den einstigen Besitz ihrer Großeltern
    Thelma de Winter ist zum ersten Mal in Deutschland, dem Land, aus dem ihre Familie mütterlicherseits stammt. Sie erzählt: »Meine Großeltern waren Stadtmenschen. Sie gingen leidenschaftlich gerne in Konzerte und in die Oper, meine Mutter liebte das Kino. Mein Großvater Jakob Sommerfeld hatte einen Laden für Musikinstrumente, in dem meine Großmutter mithalf. Das Landgut hatten sie von einem Onkel geerbt, aber da sie nicht aufs Land ziehen wollten, überließen sie es einem Verwalter und blieben in Hannover. Doch mit Beginn des Jahres 1939 wurde es für sie immer unerträglicher. Die Lebensmittelzuteilungen wurden drastisch vermindert, Juden bekamen kein Fleisch, keinen Fisch, kein Obst und keine Milch mehr. Man nahm ihnen ihren geliebten Laden, ihre Lebensgrundlage, weg, und im Mai 1939 wurde ihnen ihre Mietwohnung mit einer Frist von drei Tagen gekündigt. Daraufhin zogen sie mit ihrer Tochter auf das Gut hinaus. Sie hatten von Pferden keine Ahnung, aber auf dem Dorf waren sie zunächst weniger Schikanen ausgesetzt, sie fühlten sich sicherer, und es gab genug zu essen. Sie planten die Auswanderung in die Vereinigten Staaten, aber dazu kam es nicht mehr. Am Morgen des 5. September 1941 stand die Gestapo vor der Tür und nahm alle drei mit. Sie kamen zunächst in ein sogenanntes Judenhaus, wo sie mit über hundert Landsleuten zusammengepfercht und von Gestapo-Leuten drangsaliert wurden. Von dort aus transportierte man sie am 23. Juli 1942 ins KZ nach Theresienstadt. Meine Mutter Lydia war die Einzige, die überlebte und nach der Befreiung tatsächlich in die USA emigrierte.
    Das Gut wurde beschlagnahmt und später von den Nazis dem Verwalter zum Kauf angeboten. Der Sohn des Verwalters und meine Mutter waren wohl ineinander verliebt. Zumindest Heiner in meine Mutter – so hat sie es jedenfalls behauptet. Viele Jahre später, in den Sechzigern, hat meine Mutter dann mal eine Postkarte an die alte Adresse geschickt. Sie

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