Totenfeuer
dann rast er den Flur entlang, einem schwarzen Schatten hinterher. Man hört etwas Metallenes scheppern, dann anhaltendes Gebell und ein wütendes Fauchen.
»Oscar!«
»Nero!«
Anna und Jule stürzen den Tieren hinterher. Der schwarze Kater sitzt ganz oben auf einem Bücherregal, buckelnd und fauchend, Oscar dagegen springt wie ein Flummi am Regal hoch, wobei er wie besinnungslos kläfft. Eine Schreibtischlampe liegt auf dem Boden.
»Oh, das tut mir leid, ich wusste ja nicht, dass Sie eine Katze haben«, ruft Jule, während Anna den rasenden Oscar am Halsband zu fassen bekommt und ihn nach draußen schleift und der Kater noch immer vom Regal herunterfaucht.
»Sie hätten besser vorher angerufen! Oscar hat es nicht so mit Katzen. Oscar! Still! Platz!«, brüllt Anna, aber kaum hat sie ihren Griff gelockert, wirft sich der Terrier, von schierer Mordlust getrieben, mit Anlauf gegen die Tür. Als das nichts bringt, versucht er sich durch die Dielen zu graben.
Jule packt ihn am Halsband und leint ihn an. »Ich bringe ihn wohl besser wieder ins Auto, ich habe noch ein paar Fragen an Sie.«
Oda steht vor dem putzigen Reihenhäuschen in Mittelfeld, dessen Adresse ihr Frau Cebulla gegeben hat. »Sie heißt jetzt Walter«, hat sie erklärt.
»Eine Geschlechtsumwandlung?«
»Nein, sie hat geheiratet.«
Der leere Carport nimmt den halben Vorgarten ein, an einem der Fenster kleben bunte Figuren und bunte Holzbuchstaben, die den Namen Chiara bilden. Wie praktisch, denkt Oda zynisch: So weiß ein netter Onkel gleich, wo ein Kind wohnt und wie er es ansprechen muss. Jede Wette, dass an der Heckscheibe der Familienkutsche Chiara an Bord klebt. Oda will gerade durch die niedrige Pforte gehen, als die Haustür aufgeht. Ein Kinderwagen wird herausgeschoben, und eine blonde Frau, etwa in Odas Alter, kommt heraus. Sie trägt ein dickwangiges Kind auf dem Arm und stopft es in den Kinderwagen, wobei sie Oda nicht aus den Augen lässt. Die kommt näher und stellt sich vor.
»Kripo? Ist was passiert?«, fragt die nicht mehr ganz junge Mutter mit weit aufgerissenen blauen Kleinmädchenaugen, während Oda sich fragt, wie eine so zierliche, schmalgesichtige Person einen so feisten Wonneproppen zur Welt bringen kann und ob sich das wohl noch verwächst. Sie kommt zu dem Schluss, dass sie den Vater von Chiara lieber nicht sehen möchte.
»Können wir uns drinnen unterhalten?«
»Nein, jetzt habe ich Chiara schon angezogen, wir müssen zum Arzt, wir sind ohnehin schon spät dran. Sie können uns ja begleiten.«
Na bestens, ein Spaziergang durch die Bausparkassensiedlung, heute bleibt mir aber auch nichts erspart! Oda war von vornherein nicht begeistert, als ihr Völxen diese Befragung aufs Auge gedrückt hat. »Durchgeknallte sind deine Spezialität«, hat er seiner Anweisung hinterhergeschickt. Frau Walter, geschiedene Gutensohn, steckt ihrer Tochter einen Schnuller in den Mund und setzt sich in Bewegung.
»Sie wissen wahrscheinlich, dass Dr. Roland Felk ermordet wurde.«
»Es stand ja in allen Zeitungen.«
»Ich will’s kurz machen«, sagt Oda. »Wo waren Sie am Ostersonntag um sechs Uhr morgens?«
»Wo schon? Zu Hause im Bett natürlich. Mit meinem Mann und meiner Tochter. Die kommt immer um diese Zeit zu uns ins Bett.«
»Es geht das Gerücht, dass Sie und Dr. Felk vor drei Jahren eine Beziehung hatten und dass das der Grund für das Scheitern Ihrer Ehe mit Karl-Heinz Gutensohn war. Stimmt das?«
Frau Walter bleibt stehen, nestelt in ihrer Jacke herum und zündet sich eine Zigarette an, die sie im Gehen raucht. Ihr Blick hat sich verdüstert. Oda stellt fest, dass sie ihre Rillos in der PD vergessen hat. Sie kämpft einen Anflug von Panik nieder, während die Frau neben ihr verlegen erklärt, ihre Ehe sei ohnehin schon am Ende gewesen, die Beziehung zu Roland habe sie nur darin bestärkt, endlich den letzten Schritt zu tun und ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. »Ich wäre sonst auf diesem Dorf und mit diesem Mann versauert«, meint sie, während sich Oda im Stillen fragt, ob ein Reihenhaus in Mittelfeld tatsächlich eine marginale Steigerung der Lebensqualität darstellt.
»Hat Ihr geschiedener Mann das auch so gesehen?«
»Nicht ganz«, meint Frau Walter und gibt an, Karl-Heinz Gutensohn habe sehr wütend reagiert, als sie ihm sagte, dass sie ausziehen werde. Ihr Mann habe Roland Felk für alles Unglück verantwortlich gemacht und habe nicht sehen wollen, dass schon vorher der Wurm drin war, wie sie es
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