Totenfeuer
Großvaters. Sie vermutet, dass er das Geld Thelma de Winter geben wollte, für die Ausbildung ihrer Kinder. Er scheint auf seine alten Tage ein schlechtes Gewissen bekommen zu haben, obwohl er selbst erst zwanzig war, als die Sommerfelds deportiert wurden und sein Vater Ludwig das Gut von den Nazis gekauft hat.«
»Vielleicht eine Folge von Altersdemenz«, überlegt Völxen. »Längst Vergangenes wird plötzlich wieder ganz lebendig, während man sich gleichzeitig nicht mehr daran erinnert, was man gestern getan hat.«
»Ja, könnte sein. Anna sagte außerdem: ›Wenn Martha das gewusst hat‚ dann hat sie ihn umgebracht.‹ Sie meinte damit den geplanten Verkauf der Felder. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob wir nicht doch eine Obduktion beantragen sollten.«
»Das habe ich bereits in die Wege geleitet«, antwortet Völxen. »Sagen Sie, hat der Hund schon was zu fressen bekommen?«
»Nein«, gesteht Jule. »Ich wollte gerade mal nachsehen, was es in der Kantine so für ihn gibt.«
»Lammbraten!«
»Oh. Das … das ist wohl nicht so … geeignet.«
»Richtig«, knurrt Völxen. »Besorgen Sie Hundefutter. Und er braucht eine Schüssel Wasser.«
»Ich kümmere mich darum.« Jule stürzt eifrig aus dem Zimmer, wobei sie Frau Cebulla anrempelt, die auf der Suche nach Hauptkommissar Völxen ist. »Tschuldigung!«
»Schon gut. Herr Hauptkommissar, ein Herr Gutensohn wartet auf Sie.«
»Das trifft sich ja hervorragend«, meint Völxen erleichtert.
Karl-Heinz Gutensohn sitzt vor Völxens Schreibtisch und spielt mit dem DS -Modell, als Völxen mit dem Hund in sein Büro spaziert. Ihnen folgt Oda, die Völxen gebeten hat, mitzukommen: »Ich möchte, dass du ihn dir anschaust.«
Als Gutensohn den Hund sieht, geht ein Ruck durch seine gedrungene Gestalt, und er fängt an, nervös zu blinzeln.
»Danke, dass Sie gekommen sind, Herr Gutensohn, ich hätte noch ein paar Fragen an Sie«, begrüßt ihn Völxen. »Als Erstes: Kennen Sie diesen Hund?«
»Natürlich«, seufzt Gutensohn. »Der gehörte Felk.«
Völxen lässt sich hinter seinem Schreibtisch nieder und bringt sein DS -Modell außer Reichweite des Besuchers. Oda nimmt schräg hinter Völxen im Sessel Platz, nachdem sie Gutensohn begrüßt und sich vorgestellt hat. Völxen verschränkt die Arme vor der Brust und sagt: »Jetzt erzählen Sie mal.«
Der Jäger gibt an, er habe den Hund bei seiner Pirschfahrt am Morgen des Ostersonntags beim Streunen am Fuß des Süllbergs beobachtet, ihn gerufen und ins Auto gepackt. Schon zigmal habe er Roland Felk darauf hingewiesen, dass es nicht ginge, dass sein Hund im Revier herumstreunt. Sogar die Erschießung des Tieres habe er ihm schon angedroht, freilich eine leere Drohung, denn so etwas würde er nie fertigbringen. Dieses Mal habe er Roland Felk eine Lektion erteilen wollen. Er habe angenommen, dass Felk seinen Hund erst ein paar Tage lang vergeblich im Revier suchen und sich Sorgen um ihn machen würde, ehe er auf die Idee käme, im Tierheim anzurufen. »Außerdem muss er dann für die Unterkunft blechen, wenn er ihn abholt. Ich dachte, das wäre mal ein guter Denkzettel für ihn. Und damit er nicht erfährt, wer den Hund abgegeben hat, wollte ich dort meinen Namen nicht nennen«, schließt Gutensohn seinen Bericht.
»Warum haben Sie mir das nicht schon gestern erzählt?«, fragt Völxen.
»Weil ich verhindern wollte, dass Sie das denken, was Sie jetzt denken.«
»Und was denke ich?«
Gutensohn sieht Völxen aus blutunterlaufenen Augen an: »Herr Kommissar, ich schwöre Ihnen, ich habe nur den verdammten Köter aufgelesen. Hätte ich Felk erschossen, würde ich doch den Hund nicht im Tierheim abliefern, so blöd wäre ich doch nicht.«
Völxen muss dem Mann im Stillen recht geben und macht Oda ein kleines Zeichen, woraufhin sie das Wort ergreift: »Herr Gutensohn, ich habe vorhin mit Ihrer Exfrau gesprochen. Sie hat angegeben, dass Sie gedroht haben, Felk zu erschießen, nachdem Sie hinter das Verhältnis der beiden gekommen sind.«
»Ja, und?«, erwidert Gutensohn mürrisch. »Das ist drei Jahre her. Inzwischen hätte ich ihn schon oft erschießen können, glauben Sie nicht?«
Keiner antwortet ihm. Völxen tut der Mann leid.
Gutensohn atmet schwer und fragt dann den Kommissar: »Haben Sie es schon mal erlebt, dass Ihr ganzes Leben auf einmal in sich zusammenfällt wie ein Kartenhaus? Da sagt man schon mal Dinge, die man nicht so meint.«
»Sicher«, sagt Oda. »Nur ist Felk jetzt tot. Und irgendwer hat ihn
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