Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenfluss: Thriller (German Edition)

Totenfluss: Thriller (German Edition)

Titel: Totenfluss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
Vom Netzwerk:
Kaltes Wasser konnte diesen Prozess verlangsamen. Er war ein bisschen herumgeschleudert worden. An der Stirn war eine offene Wunde, tief genug, dass Archie ein Stück weißen Schädelknochen herausschauen sah. Aber es war kaum Blut zu sehen, und er nahm an, dass die Verletzung post mortem geschehen war, als die Leiche im Fluss herumgewirbelt wurde.
    »Was meinst du?«, fragte er Anne. »Ein paar Stunden?«
    »Scheint mir auch so«, sagte sie.
    »Mir auch«, sagte Susan. Archie warf ihr einen Seitenblick zu. »Was ist?«, fragte sie. »Ich kenne mich ein bisschen mit Forensik aus.«
    Archie hielt die Decke immer noch in der Hand, und er zog sie nun ganz weg und warf sie neben der Leiche auf den Boden.
    Das Seil, mit dem Carter ihn eingefangen hatte, war noch um den Knöchel des Toten geschlungen. Rettungsschwimmer banden sich bei ihren Einsätzen Lassos um die Mitte. Sie hätten am Abend zuvor gut eines brauchen können, und Carter hatte dafür gesorgt, dass er beim nächsten Mal besser vorbereitet war.
    Leichen verlieren etwas, das die Person im Leben hatte. Wenn die Muskeln erschlaffen, wird das Gesicht weicher und breiter, Grübchen und Lachfalten verschwinden. Es ist einer der Gründe, warum sterbliche Überreste manchmal falsch identifiziert werden, und es war der Grund, warum Archie den jungen Obdachlosen nicht gleich erkannt hatte. Es war der Ohrring, der ihn verriet. Dann der geflochtene Bart, die Army-Jacke, die Skateboarder-Schuhe. »Ich kenne ihn«, sagte Archie.
    »Keine Bewegung«, hörte er Robbins in diesem Moment brüllen. »Ihr wisst, ich hasse es, wenn ihr eure Nase hineinsteckt.« Archie trat einen Schritt von der Leiche zurück, und Anne und Susan taten es ihm gleich. Robbins kam vom Freeway angetrabt, gefolgt von zwei forensischen Ermittlern, alle drei mit denselben weißen Kunststoffanzügen samt Kapuze bekleidet. Robbins kniete neben der Leiche nieder, öffnete einen Instrumentenkoffer und streifte Latexhandschuhe über. Er sah naserümpfend zu Carters Decke. »Sagen Sie bloß nicht, irgendein Trottel hat eine scheußliche alte Decke auf meine Leiche geworfen.«
    Susan blickte in die Richtung, wo Heil Carter befragte. »Nicht so laut«, sagte sie. »Sie verletzen seine Gefühle.«
    »Eintüten«, sagte Robbins zu einem seiner Leute.
    Archie, Susan und Anne traten noch ein paar Schritte zurück. Einer der forensischen Ermittler begann, die Szenerie mit einer Digitalkamera zu fotografieren. Der andere zog Handschuhe an und faltete die Decke vorsichtig in eine große Beweismitteltüte.
    Alles, was Archie in diesem Moment interessierte, war ein Blick auf die Hände der Leiche. Aber er wusste, dass man Robbins besser nicht zur Eile drängte.
    Er hörte, wie sich eine Sirene näherte, und dann sah er einen Krankenwagen auf der Brücke über ihnen halten. Zwei Sanitäter sprangen heraus und stiegen die Treppe herunter. »Ich glaube, für Rettungsmaßnahmen ist es ein bisschen zu spät«, sagte Archie zu Robbins.
    »Ich bringe ihn für die Obduktion ins Emanuel Hospital. Meine Dienststelle steht unter Wasser, wie Sie sich vielleicht erinnern.«
    »Und da haben Sie einen Krankenwagen gerufen?«, fragte Susan.
    Robbins blickte nicht einmal auf. »Wollen Sie mir helfen, ihn in meinem Wagen zu verstauen?« Er sah sich zu den Sanitätern um. »Alles in Ordnung hier«, rief er. »Wir brauchen noch eine Minute.« Die beiden Sanitäter blieben abrupt stehen und sahen einander an. Sie wussten erkennbar nicht, wie sie weitermachen sollten.
    Archie seufzte und zeigte seinen Ausweis. »Warten Sie einfach noch kurz«, rief er. »Wir kommen allein zurecht. Er ist tot. Danke.«
    »Was ist das für ein Idiot?«, fragte Susan. Archie folgte ihrem Blick die Treppe hinauf, wo ein Mann die Hände in die Hüften stützte und auf den Fluss hinausschaute. Archie hatte ein Talent dafür, kleine Einzelheiten an Leuten zu bemerken. Er konnte sich an die Wölbung eines Ohrläppchens erinnern, an die Art, wie jemand stand, an ein Muster von Sommersprossen auf einem freiliegenden Schlüsselbein. Er kannte sich mit Körpersprache aus. Mit Mimik. Er erkannte Satzstrukturen, auf die Leute zurückgriffen, wenn sie logen. Er konnte Menschen deuten. Aber gesellschaftliche Kategorien entgingen ihm.
    Dennoch verstand sogar er, was Susan meinte.
    »Ich habe ihn angerufen«, sagte Robbins, bevor Archie etwas sagen konnte.
    Ihr Besucher schien Mitte dreißig zu sein. Er trug ein rotes Halstuch, das er schick um den Hals gebunden hatte, und

Weitere Kostenlose Bücher