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Totenfluss: Thriller (German Edition)

Totenfluss: Thriller (German Edition)

Titel: Totenfluss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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den Blick nicht mehr abwenden. Das Gesicht des Professors wechselte von winterlicher Blässe zu aschfahl. »Das Gift verursacht Atemlähmung«, murmelte er.
    Genau deshalb brachte Archie ungern Amateure an einen Tatort. Bald würde sich Mingo in den Büschen übergeben, und sie würden zusätzlich zur Verwesung auch noch diesen Geruch auszuhalten haben.
    »Nein, ich meine Schritt für Schritt«, sagte Anne. Sie nahm Mingos spitzes Kinn in ihre Handschuhhand und drehte sanft seinen Kopf. »Sehen Sie mich an. Nicht ihn.« Sie lächelte. Mingo blinzelte. Holte Luft. Rückte seine Mütze zurück. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. »So ist es gut«, sagte sie. »Alles in Ordnung. Jetzt erzählen Sie mir, wie fühlt es sich an, dieses Gift?«
    Er runzelte die Stirn und dachte einen Moment nach. »Es geht schnell«, sagte er. »Viele Leute merken nicht einmal, dass sie gebissen wurden. Es tut nicht weh. Ihnen wird plötzlich übel. Sie sehen nur noch verschwommen und sind binnen weniger Sekunden blind. Sie verlieren ihre motorischen Fähigkeiten, ihren Tast- und Geruchssinn, die Fähigkeit zu sprechen. Sie können nicht mehr schlucken. Binnen zehn Minuten kommt es zu einer totalen Körperlähmung. Möglicherweise bekommen sie noch mit, was um sie herum vorgeht. Aber sie können sich nicht bewegen, und ihre Lungen hören auf, zu arbeiten.« Er sah sein Publikum an. »Im Wesentlichen ersticken sie.«
    Die verkeilten Baumstämme ächzten unter der Gewalt des Flusses, und Archie hörte Holz brechen, als sie sich lösten.
    Deshalb hatte Henry sein Handy verloren. Er hatte es herausgeholt, um Hilfe zu rufen, es jedoch fallen gelassen, weil seine Motorik nicht mehr funktionierte. Dann war er noch ein Stück getaumelt und zusammengebrochen. Wahrscheinlich war er nur wenige Meter entfernt gewesen, als Otter das Handy fand, doch er hatte nicht um Hilfe schreien können.
    »Wie kann es sein, dass Henry noch lebt?«, fragte Susan. »Wenn er mindestens eine Stunde, bevor wir ihn fanden, gebissen wurde?«
    »Er hat wohl keine volle Dosis des Gifts abbekommen«, sagte Mingo. »Es befindet sich im Speichel. Es wird nicht durch die Mundwerkzeuge injiziert. Die Mundwerkzeuge durchdringen nur die Haut. Es ist nicht wie bei einem Schlangenbiss. Wenn der Detective rasch reagiert hat, den Angriff unterbrach und Druck auf die Wunde ausüben konnte, hat er sich eventuell ein wenig Zeit erkauft. Ist er groß und kräftig?«
    Archie nickte.
    »Das ist ebenfalls von Vorteil.«
    Henry war auf dem Boden gelegen, unfähig, sich zu bewegen oder zu sprechen, kaum in der Lage zu atmen, und doch bei vollem Bewusstsein. Archie wusste, wie das war. Er hatte es in Gretchens Keller am eigenen Leib erlebt. Es war einer der Gründe, warum er die Lichter brennen ließ, wenn er aus dem Haus ging.
    »Wissen Sie, wie der Krake transportiert wurde?«, fragte Mingo.
    »Wir haben einen verschließbaren Gefrierbeutel nicht weit von Henry gefunden. Er roch nach Salzwasser. Wir lassen ihn gerade untersuchen.«
    »Er war leer?«, fragte Mingo.
    Alle sahen einander an, die Frage lag so nahe, dass sich niemand die Mühe machte, sie zu stellen. Wo war der Krake? Wenn er in dem Beutel transportiert worden war und wenn Henry den Angriff tatsächlich unterbrochen hatte und der Täter geflohen war und den Beutel zurückgelassen hatte …
    Dann war auch der Krake zurückgeblieben.
    Alle drehten sich um und sahen auf den Fluss hinaus, in Richtung der Japanese American Plaza. Die Flutmauer war so hoch, dass Archie die Menschen unmittelbar am Fluss nicht sehen konnte, nur ihre Köpfe und Arme, wenn sie die oberste Reihe Sandsäcke stapelten. Aber er konnte die Dächer der Einsatzfahrzeuge sehen, die immer noch in großer Zahl im Park waren, die weißen Zeltpavillons, die als Station für die Freiwilligen dienten, die Hunderte von Menschen, die im Park umherwimmelten. »Wie lange hält so ein Ding außerhalb des Wassers durch?«, fragte er.
    »Eine halbe Stunde höchstens«, sagte Mingo.
    Sie hatten jeden Quadratzentimeter des Platzes abgesucht.
    »Diese Kraken sind ziemlich mobil«, fuhr Mingo fort. »Sie können von einem Gezeitentümpel zum andern kriechen und passen durch ein erbsengroßes Loch.«
    »Heil«, rief Archie. Heil blickte von der Befragung Jen Austers auf. »Wir müssen den Platz noch einmal absuchen. Uns vergewissern, dass der Krake nicht in ein erbsengroßes Loch gekrochen und gestorben ist.« Archies Blick fiel auf den wogenden Willamette. »Da drin kann er nicht

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