Totenfluss: Thriller (German Edition)
Metallstange, mit der man sie öffnete. Man nannte sie Panikstange. Susan wusste jetzt, wieso.
Die Tür öffnete sich zu einem Flur, der zu einer weiteren Tür führte, diese mit einem grünen Ausgangsschild und einem blinkenden Warnlicht darüber. Susan lief weiter, ihr Herz hämmerte. Das Wasser war hier nicht so tief. Das Stroboskop flackerte durch den Flur. Sie erwartete, Carey durch die Tür hinter ihr kommen zu hören, aber er kam nicht.
Als sie den Notausgang aufstieß, hörte sie Archie und Flannigan nach Patrick rufen.
Die Tür ging auf eine Seitenstraße hinaus.
Sie war diese Straße schon betrunken entlanggetaumelt, wenn sie um drei Uhr morgens aus einem Klub gekommen war und nach ihrem Auto gesucht hatte, obwohl es besser gewesen wäre, ein Taxi zu nehmen.
Die Stimmen kamen von Osten, Richtung Fluss, deshalb bog sie rechts ab und lief auf sie zu. Es war stockdunkel. Hätte sie nicht mit Anfang zwanzig regelmäßig in diese Straße gekotzt, sie hätte sich bestimmt den Knöchel gebrochen.
Sie stapfte durch das Flutwasser und bemühte sich, nicht auf die Kälte zu achten, die durch ihre Gummistiefel drang.
Carey war noch immer nicht durch die Tür gekommen.
Sie dachte daran, nach Archie zu rufen, aber sie wollte Patrick nicht erschrecken, falls er noch in der Nähe war.
Ihre Sachen waren feucht, und der Wind erzeugte eine Gänsehaut auf ihren Armen.
Wenn sie ein Kind wäre, wohin würde sie laufen?
Nicht weit, so viel stand fest. Nicht im Dunkeln. Nicht bei diesem Wetter. Heil hatte Susan von der Festung des Kleinen unter der Brücke erzählt. Er versteckte sich gern. In dieser Straße hier war es so dunkel, dass man sich vor aller Augen verstecken konnte. Aber es gab noch eine Stelle, eine große grüne Abfalltonne, die neben dem Kücheneingang einer Kneipe stand; Susan war dort mehr als einmal von betrunkenen Verbindungsstudenten erschreckt worden, die an die Ziegelwand pinkelten.
Sie spähte in die Dunkelheit, konnte den Umriss der riesigen Tonne gerade so erkennen und ging darauf zu.
»Patrick?«, flüsterte sie, als sie nahe genug war. »Ich bin’s.«
Sie hörte Archie Patricks Namen schreien. Er war nicht weit weg, wo die Straße den Parkway kreuzte. Susan sah den Strahl seiner Taschenlampe die Dunkelheit durchschneiden.
Die Tonne stank nach einigen Tagen ohne Müllabholung. Susan legte eine Hand auf das schmierige, kalte Metall und stieß die andere in den Hohlraum zwischen der Rückseite der Tonne und der Wand des Gebäudes.
»Nimm meine Hand«, flüsterte sie.
Sie wartete mit ausgestreckter Hand und kam sich ziemlich dämlich vor.
Archies Lampenstrahl kam näher.
Sie wollte schon nach Archie rufen und ihm sagen, dass sie in Ordnung war.
Dann fühlte sie, wie sich kleine, kalte Finger um die ihren schlossen.
Sie drückte sie. »Wir müssen weg von hier«, sagte sie.
Patricks Gestalt tauchte aus der Dunkelheit auf. Sie zog ihn in ihre Arme.
Archies Lampenstrahl strich an ihnen vorbei, stockte und kam zurück, um auf Susan zu verharren.
Sie blinzelte ins Licht.
»Ich habe ihn«, sagte sie. Sie hob den Jungen hoch und trug ihn im Schein der Taschenlampe zu Archie. »Uns geht es gut. Ich weiß nicht, wo Carey ist.«
An der Kreuzung mit dem Naito Parkway reichte das Wasser bis zu den Oberschenkeln und bewegte sich schnell. Susan hatte Mühe, nicht umgerissen zu werden. Archie nahm ihr Gesicht in beide Hände und hielt es fest, ohne ein Wort zu sagen.
Er legte ihr den Arm um die Schulter. »Kommt mit«, sagte er. Sie begannen, nach Norden zu waten. Susan verstand, dass er sie zur Burnside Bridge führte. Dort oben waren Rettungsmannschaften. Sie konnte ihre Blinklichter sehen.
Archie schwenkte seine Taschenlampe himmelwärts, um auf sich aufmerksam zu machen, dann richtete er sie nach vorn, wo Flannigans Halogenschein zwanzig Meter vor ihnen im Dunkeln auf und ab tanzte.
Sie hatten nur einen Block zurückzulegen, aber die starke Strömung machte es schwer.
Archie versuchte, Patrick zu nehmen, aber der Junge klammerte sich an Susan und wollte nicht loslassen, und sie war insgeheim froh, ihn nicht hergeben zu müssen.
Die beiden Hubschrauber, die über dem Fluss kreisten, erzeugten Wellen in konzentrischen Kreisen.
Susan drehte sich um und hielt nach Carey Ausschau. Sie erwartete halbwegs, ihn planschend hinterherkommen zu sehen.
Es gab keine Trennlinien zwischen Park, Straße und Gehweg mehr. Alles stand inzwischen unter Wasser. Die Stadt würde Monate brauchen, um sich
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