Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
Vom Netzwerk:
war.
    Blum fasst sich ein Herz und nimmt sein Telefon in die Hand.Jetzt. Eine kleine Welt geht auf, seine Termine, Notizen, Spiele. Blum blättert sich durch seine Freizeit, sie stöbert, sie schmunzelt, weil er so kindisch war, so verspielt. Ein erwachsener Mann, ein Polizist, der Tetris spielt. Mark. Wie seine Finger über das Display strichen. Wie er SMS an Blum verschickte, unzählige in all den Jahren, Nachrichten von Mark an Blum. Von Blum an Mark. Hin und her ging ihre Liebe, oft nach einer halben Stunde schon, in der sie nicht zusammen waren, immer verbunden. Da kam ein Kuss von ihm. Einer von ihr. Nachrichten, die er geschickt hat, alles gespeichert. Was sie sagte, was er sagte. Erinnerungen, die jetzt guttun. Blum springt, sie taucht ein und schwimmt. Fast zwei Stunden lang sind da nur Mark und sie. Dann aber kommt Dunja.
    Das Diktiergerät. Blum öffnet den Ordner mit all den Gesprächen. Eigentlich will sie nur kurz sehen, was hinter dem Icon verborgen ist, sie will nicht neugierig sein, es passiert einfach. Ein digitales Aufnahmegerät auf dem Handy, seine Stimme, plötzlich ist sie wieder da. Mark, wie er atmet und spricht. So wie sie ihn zuletzt gehört hat. Er ist wieder da, ein kleines Tippen auf die Play-Taste, und sie hört ihn. Wie er mit einer Frau spricht, einer fremden Frau, Blum kennt sie nicht. Blum versteht zuerst nicht, was sie da erzählt, was er von ihr wissen will. Sie hört nur seine Stimme, wie einfühlsam er ist, vorsichtig, fast liebevoll. Mark will, dass sie weiterredet, er will, dass sie ihre Geschichte erzählt. Blum hört zu. Sekunden, Minuten, Blum trinkt, sie will wissen, wer diese Frau ist, warum er mit ihr redet, warum sie Angst hat. Dunja und Mark, wie er versucht, sie zu beruhigen.
    – Lassen Sie mich. Bitte. Ich habe nichts getan.
    – Sie müssen keine Angst vor mir haben.
    – Lassen Sie mich. Nicht angreifen. Weggehen, bitte. Einfach weggehen.
    – Ich will Ihnen helfen.
    – Ich habe nichts getan.
    – Das weiß ich, ich bin nicht hier, um Sie mitzunehmen, ich sagte doch, ich möchte nur mit Ihnen reden. Über das, was passiert ist.
    – Ich will, dass Sie verschwinden und mich in Ruhe lassen. Gehen Sie, bitte.
    – Ich glaube Ihnen. Was Sie erzählt haben, ich glaube Ihnen.
    – Ich habe Unsinn geredet. Alles Unsinn, ich war betrunken.
    – Sie standen unter Drogeneinfluss, starken Beruhigungsmitteln.
    – Und genau deshalb habe ich phantasiert, ich habe mir das alles ausgedacht.
    – Das haben Sie nicht.
    – Doch. Und deshalb werden Sie jetzt wieder zurück in Ihre schöne Welt gehen. Hier wollen Sie sich nicht herumtreiben, niemand will das.
    – Ich kann Ihnen helfen, die Männer zu finden.
    – Nein.
    – Vertrauen Sie mir.
    – Ich sagte Nein.
    – Warum nicht?
    – Weil Sie ein Mann sind.
    – Ich bin Polizist.
    – Bei der Polizei war ich schon. Ich habe euch alles erzählt, ich habe gefleht und gebettelt, und ihr habt mich weggeschickt. Einfach weggeschickt. Ihr habt mich in ein Krankenhausbett gesteckt und den Kopf geschüttelt.
    – Es tut mir leid, dass das passiert ist. Ehrlich. Ich weiß, wir hätten das alles viel ernster nehmen müssen. Wir hätten keine Sekunde an Ihrer Geschichte zweifeln dürfen.
    – Sie hätten mir damals helfen sollen, jetzt ist es zu spät. Es geht mir gut hier.
    – Sie leben unter einer Autobahnbrücke. Sie haben kein Dach über dem Kopf, man muss sich um Sie kümmern.
    – Wer? Sie? Darf ich bei Ihnen wohnen? Werden Sie mir eine Aufenthaltsgenehmigung besorgen? Wollen Sie sich wirklich um mich kümmern? Dann lassen Sie mich in Ruhe. Nur so helfen Sie mir wirklich.
    – Es gibt für alles eine Lösung.
    – Dafür nicht.
    – Alles wird gut.
    – Wenn die Männer tot sind, dann erst ist alles gut.
    – Ich bitte Sie, lassen Sie uns darüber reden.
    – Wenn ich mit Ihnen rede, werde ich sterben. Sie werden Staub aufwirbeln, Sie werden in das Wespennest stechen, und die Wespen werden aggressiv werden. Sie wissen nicht, was das bedeutet, aber ich weiß, dass mich die Wespen finden und dafür sorgen werden, dass ich still bin. Sie werden mich so lange schlagen, bis ich tot bin. Mit bloßen Fäusten ins Gesicht.
    – So weit wird es nicht kommen.
    – Nicht, wenn ich hier sitzen bleibe. Hier wird mich niemand suchen. Mein Leben ist gut jetzt, tausendmal besser als es war. Ich will das alles vergessen, verstehen Sie? Alles.
    – Nein, das dürfen Sie nicht, Sie müssen sich an alles erinnern, an jedes Detail. Sie müssen mir alles

Weitere Kostenlose Bücher