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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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Trauerfeier. Seine Beine setzten sich nur langsam in Bewegung vor zwei Wochen. Es war nichts als Pflicht, Ute zum Schweigen zu bringen, er hat nur den Schaden begrenzt. Kopfschüttelnd, peinlich berührt, weil alle im Raum ihn anstarrten, Mitleid mit ihm hatten. Weil Ute die Kontrolle verloren hatte. Wie sie um sich schrie, brüllte. Ist hier irgendein verdammter Dreckskerl, der mir ein Scheißkind macht. Ihr sollt mich ficken, kann endlich jemand von euch Schweinen seinen Schwanz auspacken. Ute sprang über die Tische und schrie, Massimo folgte ihr, griff nach ihr, zerrte sie nach draußen.
    Fast täglich kommt es zu kleinen Dramen. Massimo nutzt jede Gelegenheit, nicht bei ihr sein zu müssen. Um Blum zu helfen. Alles, was er noch hat, bekommt Blum. Und sie ist dankbar dafür, dass sie nicht allein ist, dass da noch jemand ist, außer Reza. Außer Karl. Jemand, der sie in den Arm nimmt. Kein Ersatz, nur Trost. Massimo. Nicht Mark. Sie ist froh, wenn sein Wagen in die Einfahrt kommt. Wenn er die Kinder in den Arm nimmt, kurz mit ihnen durch den Garten tollt, versucht, mit ihnen zu lachen. Massimo ist ein Freund, einer von den Guten wie Karl und Mark. Mit einem Lächeln verschwindet er im Haus und kommt mit einer Flasche Weißwein und zwei Gläsern zurück. Es ist alles in Ordnung, sagt er. Finanziell sei sie abgesichert, Mark habe eine Lebensversicherung abgeschlossen. Sie müsse sich keine Sorgen machen, sagt er, öffnet die Flasche Wein und schenkt ein. Geld für sein Sterben, denkt sie. Viel Geld. Was für eine Scheißwelt , sagt sie und trinkt. Lange, große Schlucke.

8

Die Kinder schlafen. Massimo ist weg, er hat sie ins Bett gebracht, ihnen eine Geschichte vorgelesen. Dann ist er gegangen, auch wenn er noch bleiben wollte, sich gerne noch mit Blum unterhalten hätte. Sie wollte allein sein. Mit einer Flasche Rotwein in seinem Arbeitszimmer. Auf seinem Sessel, die Beine auf dem Schreibtisch, genauso wie Mark immer dasaß. Wein im Tonbecher, sie hatten sie aus Griechenland mitgebracht, sie liebten es, daraus zu trinken, auf schöne Gläser zu verzichten. Grüne Tonbecher, handgemacht. Roter Wein ihren Hals hinab. Wie es warm wird in ihr, wie sie es genießt, das erste Mal wieder so etwas wie Leichtigkeit. Blum sitzt einfach nur da und schaut. Sein Computer, seine Unterlagen und tausend andere Dinge, alles liegt noch so da wie vor zweiundzwanzig Tagen, als er losfuhr. Alles im Raum wartet noch immer auf ihn, auf seine Rückkehr, Gegenstände, die berührt werden, Geräte, die bedient werden wollen. Nichts im Raum verrät, dass er tot ist, sie hat noch nicht gewagt, etwas zu verändern. Blum ist zum ersten Mal hier, sie hatte die Tür einfach zugesperrt, es war fast so, als wollte sie einsperren, was noch von ihm da war. Die Luft, die er geatmet hat, seine persönlichen Dinge, seine Filme, seine Unordnung, auf die er bestand, seine kleine Freiheit, wie er immer sagte. Dieses Zimmer war sein Rückzugsort, seine Höhle, in der er sich verschanzte, wenn er arbeitete oder einfach nur vor den Kindern flüchten wollte. Sein persönlicher Versorgungsraum, sagte er und lachte. Sein Platz zum Nachdenken.
    Um alles andere hat sie sich bereits gekümmert. Seine Kleider, seine Schuhe, sie hat alles weggebracht, weggeworfen. Die Kästen leergeräumt. Nur sein Büro blieb verschlossen, sie brachte es nicht übers Herz, es auszuräumen, allein der Gedanke daran tat weh. Jetzt sitzt sie da und trinkt Wein. Ohne Schmerz, ohne von ihrer Angst erdrückt zu werden. Sie hat die Angst im Griff, sie kann bleiben, sitzen bleiben. Trinken, abwarten. Der Wein macht für einen Moment lang alles schön. Seit über einer Stunde sitzt sie nur da und schaut, sie wagt es noch nicht, etwas in die Hand zu nehmen, eine Schublade zu öffnen, sich an mehr zu erinnern, als im Moment gut für sie ist. Sie zögert, sie will, aber sie kann nicht, sie hat Zeit, die ganze Nacht hat sie Zeit, und der Keller ist voller Wein. Zweihundert Flaschen. Und der Gedanke daran, der sie mutig macht. Ein weiterer Korken, der nach oben kommt, Tränen, die nicht mehr wichtig sind, nicht jetzt. Nur sie. Wie sie das Weinglas hebt und auf ihn trinkt. Auf ihren Mann, ihr Glück. Wie sie sich an die schönen Dinge erinnert, ohne von ihnen begraben zu werden, Alltäglichkeiten, sein Lachen am Morgen im Bad, seine Witze nach dem vierten Glas, die Allüren des Heimwerkerkönigs. Wie ungeschickt er war, wie oft er sich wehtat, weil er unachtsam war, kopflos. Wie liebenswert er

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