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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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geschnitten. Er liegt unten im Kühlraum. Nela malt ein Bild, Uma hat Durchfall. Überall ist Alltag. Massimo hat mehrmals angerufen. Es ist Mitte September. Betrunkene Jugendliche haben den Kopf von Herbert Jaunig gefunden, die Zeitungen sind voll davon. Die Jugendlichen dachten anfangs, es handle sich um einen Ball. Blum sah ihnen zu, wie sie die Kugel aus dem Sack schleuderten, wie sie den Kopf des Pfarrers traten. Wie sie plötzlich still standen, wie sich einer übergab. Blum hat es gesehen. Blum liest es in der Zeitung. Pfarrer Herbert Jaunig bestialisch ermordet, enthauptet. Für die Welt da draußen unbegreiflich alles.
    Blum sitzt mit den Kindern am Frühstückstisch. Ein Foto in der Zeitung vom abgesperrten Domplatz, Erinnerungen an gestern. Ein Butterbrot mit selbstgemachter Marmelade in der Hand. Uma und Nela, die sich ausziehen und nackt durch die Wohnung laufen. Ausziehen, Mama, bitte. Nackt sein. Blum kaut. Sie schaut den Mädchen zu. Wie sorglos sie sind, wie unbeschwert. Augenblicke, in denen sie nicht an ihren Vater denken, in denen sie so tun, als wäre nichts passiert. Uma und Nela. Sie haben Mark verloren. Das ist ihre Wirklichkeit. Der Kopf des Bischofsanwärters ist nur eine Zeitungsmeldung, nicht mehr. Ein Verbrechen, das die kleine Provinzhauptstadt erschüttert. Ein Thema, über das man sich empört. Nur ein Priester, der den Kopf verloren hat. Blum lächelt und streicht sich ein zweites Brot.
    Was jetzt kommt, weiß sie nicht. Jaunigs Kopf wird wahrscheinlich einbalsamiert oder eingefroren, sie werden ihn auf der Gerichtsmedizin einlagern und verzweifelt nach seinem Körper suchen. Das Kirchenvolk wird nach einer Beerdigung schreien. Aber Jaunigs Kopf wird im Kühlschrank bleiben, Monate, Jahre. Weil man seinen Körper nicht finden wird, weil die Haie ihn gefressen haben. Keine Spur von ihm. Keine Spur zu dem Keller, zu Blum. Niemand hat Dunja geglaubt, ihre Geschichte war nur erfunden für die Polizei. Man wird in Jaunigs Umfeld nichts finden. Seine Freunde und Bekannten werden zwar durchleuchtet werden, aber keiner von ihnen wird schuldig sein. Weil sie nichts mit seinem Tod zu tun haben. Der wahre Mörder bleibt verborgen. Kein Mann, eine Frau, die es beendet hat. Die dafür gesorgt hat, dass er niemandem mehr wehtun wird. Nie wieder.
    Blum. Wie sie dasitzt und den Kindern zuschaut. Kurz noch wird sie bleiben, dann wird Karl die Kinder übernehmen, sie wird sich mit Reza um einen Erhängten kümmern. Eine Versorgung am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen, hat Hagen immer gesagt. Hagen und Herta. Schönborn. Jaunig. Vier Leichen. Blum atmet tief ein und aus. Sie hat ein gutes Gewissen, sie würde es wieder tun. Alles. Auch das mit Massimo. Es ist passiert, er war da, als sie ihn gebraucht hat. Sie schämt sich nicht dafür. Trotzdem überlegt sie, ob sie abnimmt. Sein Name auf dem Display, zum fünften Mal ruft er an. Kurz zögert sie, dann ist da seine Stimme an ihrem Ohr.
    – Wo warst du?
    – Am Meer.
    – Warum?
    – Massimo, bitte mach das nicht.
    – Was mache ich denn?
    – Bitte.
    – Ich vermisse dich.
    – Dafür hast du doch gar keine Zeit im Moment. Scheint ja die Hölle los zu sein bei euch.
    – Allerdings.
    – Was ist da passiert?
    – Ich weiß es nicht, Blum. Aber es ist ziemlich abartig. Düster alles, sehr düster.
    – Sie haben ihn enthauptet?
    – Schaut so aus.
    – Wer macht so etwas?
    – Wenn ich das wüsste.
    – Wer um Gottes willen bringt einen Priester um?
    – Das werde ich herausfinden.
    – Tu das, Massimo, tu das.
    – Ich habe noch den ganzen Tag zu tun hier, Blum. Aber danach könnte ich zu dir kommen.
    – Wo bist du?
    – In seiner Wohnung.
    – Wie lange noch?
    – Lange.
    – Ich komme zu dir.
    – Das geht nicht, Blum, ich muss arbeiten.
    – Kurz nur. Dich spüren. Einen Moment lang.
    – Nein.
    – Bitte.
    – Domplatz 5. Ruf mich an, wenn du da bist.
    – Was täte ich ohne dich.

32

Massimo. Er schickt sie nicht weg. Jaunigs Wohnung. Blum will wissen, was vor sich geht. Ob da etwas ist, das die Wahrheit verrät. Etwas, das zu Dunja führt. Zu ihr. Sie hat ihm gesagt, dass sie ihn vermisst. Dass sie ihn braucht. Sofort ist sie in den Wagen gestiegen. Kurz hat er sie in den Arm genommen. Zwischen Menschen in weißen Overalls schleicht Blum durch Jaunigs Wohnung, sie hat Massimo nicht angerufen, sie ist einfach hinauf zu ihm. Viele der Beamten kennt sie. Sie haben gemeinsam gegrillt im Garten. Sie hat gesagt, dass sie Massimo sprechen müsse,

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