Totenfrau
etwas gegen die Schmerzen.
– Deine Schmerzen sind jetzt nicht wichtig.
– Um Gottes willen, nehmen Sie doch endlich das Feuerzeug weg.
– Ihr wart zu fünft. Edwin Schönborn, du und noch drei andere.
– Was reden Sie da?
– Sag jetzt nichts Falsches. Eine zweite Chance bekommst du nicht.
– Ich bin Priester.
– Das hat den Mädchen und dem Jungen auch nicht geholfen.
– Wir können über alles reden. Es ist nicht so, wie Sie denken.
– Es ist schlimmer. Viel schlimmer. Und du weißt das.
– Ich kenne diese Männer nicht. Sie hatten Masken auf. Ich habe keine Ahnung, wer die anderen sind. Sie müssen mir glauben.
– Warum lügst du?
– Ich lüge nicht.
– Keiner von denen wird dir jetzt helfen.
– Wollen Sie Geld? Die Diözese wird alles in die Wege leiten, ich kann Ihnen Geld besorgen, so viel Sie wollen.
– Du meinst, du kannst wieder zurückgehen in deinen Dom und Gutes tun. So, als wäre nichts passiert.
– Ich habe nie etwas anderes getan, das müssen Sie mir glauben.
– Dunja. Ilena. Youn.
– Das waren verlorene Seelen. Ich habe mich um sie gekümmert. Verstehen Sie?
– Waren?
– Sie nehmen jetzt das Feuerzeug weg und binden mich los.
– Was ist mit dem Jungen? Was habt ihr mit ihm gemacht?
– Ich kann Ihnen helfen. Noch können Sie zurück. Das alles muss nicht so enden. Gott wird Ihnen vergeben, glauben Sie mir. Seine Güte ist grenzenlos.
– Halt dein verdammtes Maul.
– Ich sehe doch, dass Sie unglücklich sind, dass Sie sich verirrt haben, dass Sie den rechten Weg nicht mehr finden. Sie sind hilflos und verzweifelt, lassen Sie mich Ihnen beistehen. Bitte. Binden Sie mich los.
– Ich war einmal sehr glücklich.
– Das werden Sie wieder sein. Aber nur, wenn Sie jetzt endlich das Feuerzeug aus der Hand legen. Was Sie hier tun, bringt niemandem etwas.
– Mein Glück ist tot.
– Ich schlage Ihnen vor, dass wir gemeinsam beten. Was auch immer Ihnen zugestoßen ist, Sie können es hinter sich lassen. Schauen Sie mich an. Sie haben mich angefahren, meine Knochen sind gebrochen. Sie haben mich in einen Kofferraum gelegt, Sie haben mich geschlagen, mich mit Benzin übergossen. Und trotzdem bin ich bereit, das Gute in Ihnen zu sehen. Mit Gottes Hilfe kann man jeden Schmerz ertragen.
– Der Polizist, den ihr überfahren habt, war mein Mann.
– Das tut mir aufrichtig leid. Aber jeden Verlust kann man überwinden, Sie müssen wieder nach vorne sehen, das Leben wieder zulassen.
– Ja, das muss ich.
Was er sagt. Was er nicht sagt. Wie sinnlos es ist, jedes weitere Wort. Weil er schweigen wird, weil er lieber stirbt, als zu reden. Blum weiß es. Und deshalb zündet sie ihn an. Langsam und ruhig beugt sie sich nach vorne und hält das Feuerzeug an seine Kleidung. So, als würde sie eine Kerze anzünden, setzt sie den Priester in Brand. Auch wenn ihr Verstand sagt, dass es Wahnsinn ist, was sie tut. Flammen. Die aufgerissenen Augen des Priesters. Wie er brüllt, sie beschimpft. Wie der Wolf versucht, sie zu zerreißen, mit Worten. Wie Jaunig brennt.
Langsam steht Blum auf und klettert nach oben. Sie dreht sich nicht um, sein Schreien hört sie nicht mehr. Sie geht an Deck und schaut zu, wie der Himmel langsam heller wird. Sie sieht nicht, wie Jaunig sich losreißen will, wie er sich verzweifelt hin und her wirft. Wie er um sein Leben schreit, sein Gesicht schützen will. Seine brennenden Kleider, seine Haare, seine Haut. Sie sieht es nicht. Sie steht nur da und schaut in den Morgenhimmel. Zwei lange Minuten sind da nur sie und die anbrechende Dämmerung. Alles in ihr ist still. Sie atmet Meeresluft. Tief ein und aus. Einmal noch. Dann geht sie wieder nach unten.
Der Löschschaum hat das Boot vor größerem Schaden bewahrt. Sie hat alles um ihn herum gesichert. Den Inhalt von drei Feuerlöschern hat sie am Boden verteilt, auf den Bänken. Sie hat Jaunig so auf dem Tisch festgezurrt, dass die Flammen unter Kontrolle blieben. Nur auf ihm wüteten sie. Blum hat alles richtig gemacht. Blitzschnell handelt sie. Sie wirft die Decken über Jaunig, sie löscht das Feuer. Überall ist Rauch und Ruß, das Fegefeuer. Jaunig liegt vor ihr auf dem Tisch. Jaunig atmet nicht mehr. Der liebe Gott hat ihn im Stich gelassen.
Blum steht da und schaut. Das Boot hat gelitten. Der Boden, die Polsterung, die Decke, der Mast. Trotzdem lächelt sie. Sie wird die Messe renovieren. Seit Jahren schon wollte sie den Geist von Herta und Hagen auch vom Boot vertreiben. Es neu einrichten,
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