Totengeld (German Edition)
schaltete das Licht aus und schloss dieAugen.Versuchte, endlich den Kopf frei zu bekommen.
Kein Dominick R ockett. Kein John-Henry Story. Keine Unbekannte.
Die grauen Zellen setzten zu einer neuen Gedankenschleife an.
Der nachmittäglicheAnruf.
Wer war die Frau amTelefon?
Angenommen, derAnruf war seriös, was hatte dem toten MädchenAngst gemacht?
Hatte dieAnruferin ebenfallsAngst vor dieser Person?
Birdie sprang auf, drehte sich einmal und kuschelte sich in meine Kniekehle. Ich strich ihm über den R ücken, dankbar für seine bedingungslose Loyalität.
Ein Bild blitzte auf.Verkohlte Fragmente. So zerbrechlich, dass ich sie mit Polyurethan einsprühen musste, bevor ich versuchen konnte, sie aus derAscheschicht zu lösen, in die sie eingebettet waren.
John-Henry Story?
Falls ja, was hatte er dann so spät amAbend in dieser Scheune getrieben? Hatte er so direkt mit diesen Geschäften zu tun? Hatte er finanzielle Probleme gehabt? Falls ja, konnte es sein, dass er den Schuppen in Brand gesteckt hatte? Brandbeschleuniger entzünden sich schnell. Hatte er sich verrechnet und saß plötzlich in der Falle?Aber die Brandermittler hätten das nie und nimmer übersehen. Es hätte Hinweise auf Beschleuniger und Behältnisse geben müssen.
Ich stellte mir eine Gestalt vor einem Hintergrund aus Feuer und Rauch vor. Panische Bewegungen. Flammen, die die Kleidung, die Haare, die Haut erfassen.
Wenn Story nicht in diesem Brand gestorben war, wer dann? EinArbeiter? Ein Obdachloser, der zur falschen Zeit am falschen Ort geschlafen hatte?
Immer im Kreis.
Fragen führten zu weiteren Fragen.
KeineAntworten.
Und wo zumTeufel steckte Katy?
13
Als ich aufwachte, prasselte R egen gegen mein Fenster. Und ich hatte das Gefühl, verschlafen zu haben.
Ja. MeinWecker zeigte 8:42.
DieAugen noch halb geschlossen, schnappte ich mir mein iPhone und überflog die nächtlichen Mails.
Nichts von Katy.
Ich rechnete nach. In Bagram war es mitten am Nachmittag. Sie hatte sicher zu tun.
Obwohl ich wusste, dass ich warten sollte, schickte ich eine Mail.
»Bitte melde dich. Mom.«
Nichts von Ryan.
Meine Schwester Harry hatte gleich vier geschickt, die erste war um 2:42 eingetroffen. Die anderen folgten in Fünf-Minuten-Intervallen.
Ich überflog sie alle, um ein Gefühl für die neue Krise zu bekommen.
Wenn ich mich amüsieren will, besuche ich manchmal dieWebsite First World Problems. Der Inhalt ist Harrys Leben in einem Mikrokosmos. Die Ängste der Harriet Brennan Howard Dawood Crone. Obwohl ich glaube, dass sie Crone wieder abgelegt hat, als sie sich von Ehemann Nummer drei scheiden ließ. Oder war das Nummer zwei?
Neue Bekannte sind oft schockiert, wenn sie erfahren, dass Harry und ich Geschwister sind. Doch trotz unserer Unterschiede, die enorm sind, haben meine Schwester und ich einen grundlegendenWesenszug gemeinsam. Sie treibt dieselbe bulldoggenähnliche Beharrlichkeit an, die mich durchs Studium brachte und seit Jahrzehnten durch einen anstrengenden und oft belastenden Beruf bringt.
Was uns unterscheidet, ist der Fokus unserer Leidenschaft. Für mich ist es die Suche nachWahrheit,Anerkennung und Gerechtigkeit für dieToten.
Für Harry ist es Shoppen. Schuhe. Sonnenbrillen. Häuser. Ehemänner.Allerdings glaube ich, dass tief in ihrem Inneren das Erworbene an sich meiner Schwester völlig schnuppe ist.Wichtig ist allein die Jagd.
Seit Jahren überlege ich mir, warum Harry so ist, wie sie ist.Warum ich so bin, wie ich bin.Auch wenn das wie ein Klischee klingt, glaube ich inzwischen, dass unsere Mutter einen großenTeil der Schuld trägt.
Im R ückblick wurde mir klar, dass Mama wohl auf einem Pendel ritt, das sie nicht kontrollieren konnte, einem, das sie zwischen wilder Euphorie und schwärzester Depression hin und her trieb. In Zeiten der Hochstimmung genoss sie es, die neueste Mode zu tragen, und das Sehen und Gesehen-Werden auf den besten Partys, in Konzerten und in R estaurants.Wenn es dann bergab ging, kamen dieTränen, der R ückzug, die geschlossene Schlafzimmertür.Wenn Mama alles erreicht hatte, was sie wollte, war ihr alles andere egal.
Als Kind haben mich die Stimmungsschwankungen meiner Mutter verwirrt.Als Erwachsene verstehe ich sie noch immer nicht ganz.
Und ich mache mir Sorgen, dass auch meine Schwester die Dämonen meiner Mutter in sich trägt. Jedenfalls gibt es Hinweise darauf.
Persönliche Probleme habe ich mit Harry noch nie besprochen. Der Kampf mit der Flasche. Eine kaputte Ehe. EineTochter,
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