Totengeld (German Edition)
freienTisch. Ich hatte kaum zu essen angefangen, als Blanton sich auf den Stuhl gegenüber plumpsen ließ. Unter denAugen hatte er dunkle Ringe.
»Ein neuerTag im Paradies.«
Speckbrocken hingen in den Stoppeln über Blantons Oberlippe. Ich überlegte, ob ich es ihm sagen sollte.Tat es nicht.
»Gut geschlafen?«
Blanton zog ein Unterlid nach unten, um mir einen blutunterlaufenenAugapfel zu zeigen. » Wie ein Baby.«
» Wird das ein Problem sein, Mr. Blanton?Wir haben viel Detailarbeit vor uns.«
»Sie, nicht ich.«
»Aber ich brauche alles dokumentiert.«
»Das ist nicht mein erstes R odeo, meine Liebe.« Blanton grinste, salutierte und marschierte davon.
Ich überlegte, während ich meinen Kaffee austrank. Stand gegen diesenWichser sogar Slidell in einem guten Licht da? Ich knallte dieTasse aufsTablett. Nein.Aber viel fehlte nicht.
Welsted und die Dörfler waren bereits im Krankenhaus, als ich eintraf.
»Die Überreste wurden geröntgt.«Welsted informierte mich, während wir zu dem uns zugewiesenen Raum gingen. »Soll ich sie hierher bringen lassen?«
»Bitte.Wo sind die Filme?«
»Auf einer der Bahren.«
Als sie weg war, schaute ich mich um.
Weiße Fliesen, zwei leere Bahren, Standleuchte, tragbare Lichtkästen, zwei tiefe Edelstahlspülbecken samtArbeitsfläche, eine kleine Sammlung von Schneidewerkzeugen und Greifzirkeln und eine Lupe. Nicht zu vergleichen mit dem, was ich in Charlotte oder Montreal hatte, aber ausreichend.
Blanton kam dazu, als ein Pfleger die Überreste durch dieTür rollte und wortlos anfing, seine Kameraausrüstung aufzubauen. Die beiden Dorfabgeordneten beobachteten alles, die Körper angespannt, dieAugen ruhelos. Beide wirkten sie so nervös, als bräuchten sie Beruhigungsmittel.
Ich ging zuWelsted und flüsterte: »Es ist vielleicht besser, wenn sie von nebenan zuschauen.« Ich deutete mit dem Kopf zu dem Beobachtungsfenster über den Spülbecken.
»Ich gehe mit ihnen«, botWelsted an.
Augenblicke später sprang ein Licht an, und die drei erschienen auf der anderen Seite der Scheibe.
Nachdem ich ihnen aufmunternd zugenickt hatte, zog ich Rasekhs R öntgenaufnahmen aus dem Umschlag und klemmte sie auf die Lichtkästen.
Während ich mir dieAufnahmen eine nach der anderen vornahm, verließ mich der Mut.
Rasekh hatte bereits auf der Erde gelegen, als die Granate eingeschlagen war. Wir hatten fast eine Stunde gebraucht, um den Leichensack aus seinem neuen Grabhügel aus Erde und Steinen zu befreien. Entsprechend hatte ich mir schon die ganze Nacht Sorgen gemacht, dass der Steinhagel die Knochen beschädigt haben könnte.
Ich betrachtete die im Leichentuch weiß leuchtenden Überreste. Die R öhrenknochen waren noch einigermaßen intakt, aber derTorso war völlig durcheinandergeworfen und der Schädel zertrümmert. Nichts war mehr miteinander verbunden. Rasekh war in einem viel schlimmeren Zustand, als ich befürchtet hatte.
Ich schickte ein zuversichtliches Lächeln zu den Gesichtern im Fenster. Zuversicht, die ich nicht hatte.
»Fertig?« Zu Blanton, während ich einen Latexhandschuh aufblies.
»Kann losgehen.«
Blanton schaltete den Camcorder ein. Ich zog mein iPhone aus derTasche und diktierte Zeit, Datum, Ort und die Namen derAnwesenden. Dann zog ich mir die Schutzmaske vors Gesicht.
Als ich den Leichensack öffnete, wehte ein modriger, erdiger Geruch heraus. Behutsam wickelte ich das Leichentuch auf.
In einem Jahr hatte Mutter Natur ihr unvermeidlichesWunder vollbracht. Fragmente von Bindegewebe waren noch vorhanden, hier und dort ein Band zwischen Fingergliedern, ein Gewebestreifen über einer Gelenkkapsel.Ansonsten war das Fleisch verschwunden.
Doch was die Zeit und dieWüste übrig gelassen hatten, hatte die Erdlawine in Sekunden zerstört.
KeinTeil vonAbdul Khalik Rasekhs Schädel oder Unterkiefer maß mehr als maximal fünf Quadratzentimeter. Ich erkannte einenTeil einesAugenhöhlenbogens, den Splitter eines Jochbogens, einenWarzenfortsatz, ein Kiefergelenkköpfchen, einzelne Zähne.
Das übrige Skelett sah nicht viel besser aus. Oberschenkelknochen und Schienbeine waren intakt, der R est der Beinknochen aber zerbrochen. Das Becken war zertrümmert.
Der Brustkorb und die oberen Glieder hatten am meisten gelitten.Armknochen, Schlüsselbeine, Brustbein,Wirbel und Rippen waren praktisch pulverisiert.
Was nicht gut war.
Marines lernen, immer auf das Zentrum eines Objekts zu zielen. Stellen Sie sich einen menschlichenTorso vor. Ziehen Sie eine Linie von
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