Totengeld (German Edition)
könnte was sein.« Ich hielt den Knochen so, dass Blantons Kamera die Spuren gut imVisier hatte.
»Könnte Pulvertüpfelung sein.Aber die Spuren sind gleichmäßig verteilt.«
»Also kein Hinweis auf die Schussrichtung«, vermutete Blanton.
»Nein.« Nachdem ich das Fragment noch einigeAugenblicke dicht vor denAugen hin und her gedreht hatte.
Enttäuscht diktierte ich eine Beschreibung des Defekts. Blanton legte ein Lineal an und schoss weitere Detailaufnahmen mit einer Nikon, dann zur Sicherheit noch einige Polaroids.
»Diese Dinger hier sind schon was ganz anderes als die Plastikkästen, die wir früher hatten.« Blanton zog das Foto aus dem Gerät. »Vierzehn Megapixel, tintenloserAusdruck. Im Notfall ist das Dokument sofort verfügbar. Ich habe schon zu viele Katastrophen mit angeblich fehlersicheren Hightechg eräten erlebt. Mit den Polaroids sichere ich mich immer ab.«
Hut ab, Mr. Blanton.
Fragment um Fragment suchte ich weiter.
Und fand rein gar nichts.
Entmutigt richtete ich mich auf und rollte die Schultern. Die Uhr zeigte 12:10.
»Pause?«, fragte Blanton.
Ich schüttelte den Kopf. »Da die Knochen jetzt anatomisch angeordnet sind, geht Rasekh zurück in die Radiologie.«
Blanton rief denTechniker, der die Überreste in ihrer Umhüllung geröntgt hatte. Er kam sofort. Harold. Ich sagte ihm, was ich wollte, und er schob die Bahre durch dieTür.
» Wenn dieAufnahmen nicht noch was zeigen, was ich übersehen habe – und das halte ich eher für unwahrscheinlich –, ist Rasekh ein R einfall. Machen wir also weiter.«
Ich diktierte den Namen des zweiten Mannes. Ahmad Ali Aqsaee. Und weitere wichtige Informationen. Dann schaute ich mir die Aufnahmen von Aqsaee in seinem Leichentuch an.
Und entspannte mich ein wenig.
Aqsaee war in besserem Zustand als Rasekh. Kein Wunder. Er war noch in der Erde, als die Granate einschlug. Dennoch schien die normale postmortale Schädigung ausgedehnt zu sein.
Nachdem ich mich versichert hatte, dass in dem Leichentuch nichts fehlte, ging ich zur Bahre, öffnete den Leichensack und wickelte dasTuch auf.
Neben mir atmete Blanton scharf ein.
Aqsaee bestand wie Rasekh nur noch aus Knochen.Aber sein Skelett unterschied sich in einem hervorstechenden As pekt.
Die Uneingeweihten glauben, dass Knochen immer weiß sind. Sie denken an Halloween-Poster, an Lehrskelette aus dem Biologieunterricht oder die ausgebleichten Brustkörbe von Rindern, die inWestern sehr beliebt sind.Aber Knochen nehmen oft Pigmente des Substrats an, in dem sie liegen.
Genau das war beiAqsaee passiert. Sein Skelett hatte die Farbe von altem Sattelleder.
»So was sieht man nicht alleTage.«
»Es ist nicht ungewöhnlich«, erklärte ich Blanton. »Höchstwahrscheinlich sind Mineralien aus den Steinen oder der Erde in die Knochen eingedrungen.«
» Warum nur bei dem?«
»Kann sein, dass die Bodenbeschaffenheit im hinterenTeil des Friedhofs anders ist.Vielleicht ist Sickerwasser vom Hügel durch Rasekhs Grab geflossen und hat die kritischen Komponenten ausgeschwemmt.«
»DieVerfärbung macht Ihnen also keine Probleme?«
»Nein.«
Ich behandelte den jüngeren Mann genauso wie den älteren. Nur mit etwas weniger Beklemmung.
Ich bestätigte, dass alle skelettalen und dentalen Merkmale mitAqsaees biologischem Profil vereinbar waren. Männlich. Siebzehn Jahre alt.
»Doc.«
Ich schaute zu Blanton hoch.
»Der R est desTeams braucht was zu essen.«
Wiederstrebend willigte ich ein. Dreißig Minuten später waren wir zurück, und ich begann meineVerletzungsanalyse.
Der Schädel war völlig unversehrt. Keine Brüche. Keine Schusslöcher.
Blanton schoss Nahaufnahmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Der Unterkieferknochen war zwar in der Mitte auseinandergebrochen, doch ich vermutete, dass es sich hierbei um eine postmortale Schädigung durch den Druck der darüberliegenden Erde handelte.
Weitere Fotos.
DieArme und Beine zeigten keine Hinweise aufVerletzungen. Ich wandte mich dem Brustkorb zu.
AqsaeesTorso war fast so stark beschädigt wie Rasekhs.Als ich mir die fragmentierten Rippen, die zerbrochenen Schlüsselbeine und die zerquetschten und abgeschürftenWirbel und Schulterblätter sowie das Brustbein anschaute, wurde mir die Brust wieder eng.
Unwillkürlich wanderte mein Blick zum Beobachtungsfenster. Auf der anderen Seite sah ich Welsted und die Abgesandten in erregter Diskussion. Der große Mann gestikulierte heftig. Ich sah, dass er sich umdrehte und zur Scheibe deutete.
Auch
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