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Totengeld

Totengeld

Titel: Totengeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Abstellgleis.«
    Ein Bild blitzte vor mir auf. Das Gesicht in meiner Handtasche.
    Ich empfand Mitleid, gefolgt von einem gewissen Unbehagen. War Rockett wirklich so entstellt, wie der Schnappschuss andeutete? War das der Grund, warum er auf einem »verdammten Abstellgleis« lebte?«
    »Rocketts Haus ist nicht gerade protzig.«
    »Der Kerl ist entweder ein verdammt schlechter Schmuggler oder ein sehr vorsichtiger Hurensohn.«
    »Haben Sie nachgeprüft, wie lange er schon hier wohnt?«
    »Das Anwesen ist seit 1991 auf seinen Namen eingetragen.«
    »Also hat er das Haus kurz nach seiner Pensionierung vom Militär gekauft. Hypothek?«
    »Nein.«
    »Vielleicht hatte er gespart. Oder Geld geerbt.«
    Slidell bearbeitete einen Backenzahn mit einem Daumennagel und kaute dann weiter.
    »Frage mich, was die Nachbarn von seinen gärtnerischen Fähigkeiten halten.«
    Gute Frage. Vielleicht war es der Dauerschatten von der Kiefer. Vielleicht mangelndes Interesse. Jedenfalls fanden die so nachdrücklich grünen Rasenflächen zu beiden Seiten an Rocketts Flickenteppich aus Erde und Gras ein jähes Ende.
    »Gehen wir.«
    »Denken Sie dran«, warnte ich. »Dew wird stinksauer, wenn wir Rockett dazu bringen, sich einen Anwalt zu nehmen.«
    »Jaja.«
    Ich stieg aus dem Taurus und ging aufs Haus zu. Regentropfen kühlten sanft mein Gesicht. Ich konzentrierte mich auf die Empfindung, um den Kopf freizubekommen.
    Frei von Mitleid für Rockett.
    Von Gedanken an Katy und Sprengfallen.
    Die Haustür, passend zur Wandverkleidung braun lackiert, hatte einen schwarzen, gusseisernen Klopfer in der Form einer Kanone. Slidell schlug ihn gegen das Holz. Schlug noch einmal.
    In der Ferne rauschte auf dem Highway 51 der Verkehr vorbei. Von drinnen kam kein Ton.
    Slidell wollte eben ein drittes Mal klopfen, da klickte ein Schloss. Während die Tür aufschwang, spannte er den Körper an.
    Ich meinen ebenfalls.
    Es hatte nicht an der unfairen Beleuchtung gelegen. Auch hatte das vernarbte Fleisch seit der Aufnahme des Fotos weder sich selbst erneuert noch eine kosmetische Operation erlebt.
    Obwohl es nicht kalt war, trug Rockett eine schwarze Strickmütze, die er bis zu der Höhe heruntergezogen hatte, auf der seine Brauen hätten sein sollen. Die Finger, die den Türknauf umklammerten, waren wächsern und blass und hatten keine Nägel. Über der Hand schaute der Rand eines Tattoos aus dem Saum seines langärmeligen TShirts hervor.
    Rockett schaute Slidell an und dann mich, die linke Gesichtshälfte starr, die rechte zu einer mürrischen Miene verzogen.
    Ich zwang mich zu einem neutralen Ausdruck.
    Slidell hielt seine Marke in die Höhe. »Charlotte Mecklenburg PD .«
    Rocketts gesundes Auge schnellte zu der Marke, dann wieder zu uns.
    »Was wollen Sie?« Rau und tief.
    Slidell brachte den alten Spruch, er müsse ihm nur ein paar Fragen stellen.
    »Worüber?«
    »Wollen Sie, dass wir das vor den Nachbarn machen?«
    »Sehen Sie irgendwelche Nachbarn?«
    Slidell verschränkte die Arme und spreizte die Füße. »Wir können es auch auf dem Revier tun.«
    »Haben Sie einen Durchsuchungsbeschluss?«
    »Sollte ich einen haben?«
    »Das müssen Sie mir sagen.«
    Die beiden Männer starrten einander an. Ihre Augen waren etwa auf gleicher Höhe. Aber Rocketts Hals war dick, sein Körper ein Muskelpaket. Was sich unter seinem T-Shirt abzeichnete, deutete auf viele Stunden im Fitnessstudio hin.
    Slidells Gesichts rötete sich leicht.
    »Es wird wirklich nicht lange dauern.« Ich lächelte, ein Versuch, das Macho-Duell zu entschärfen.
    »Wer zum Teufel sind Sie?« Wobei er den Blick nicht von Slidell nahm.
    »Dr. Temperance Brennan. Ich –«
    »Die Dame arbeitet im Leichenschauhaus.«
    Vielleicht hatte Rocketts rechte Wange bei Slidells Antwort leicht gezuckt. Nur kurz. Dann atmete er durch sein gutes Nasenloch ein und langsam wieder aus. Ich dachte schon, er würde uns davonjagen.
    »Zehn Minuten.« Rockett trat einen Schritt zurück.
    Slidell spuckte seinen Kaugummi ins Gras und trat ein. Ich folgte ihm in eine fensterlose Diele mit Schachbrettboden, einer Falttür links und Kleiderhaken rechts. An einem hing eine Strickmütze, an einem anderen eine Windjacke.
    Rockett führte uns in ein Wohnzimmer, dessen Panoramafenster gegen das Sonnenlicht mit Vorhängen verdeckt war. Die einzige Beleuchtung des Zimmers kam von einem Flachbildfernseher von der Größe einer Plakatwand. Eine Sportsendung lief ohne Ton und tauchte das Zimmer in schnell wechselnde,

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