Totengeld
Bude, loggte ich mich in den alten PC ein. Keine Nachricht von Katy oder Ryan. Nichts auf der Voicemail.
Na und?
Ich schaute auf die Uhr.
12:40.
Ruhelos, weil ich nichts zu tun hatte, marschierte ich auf und ab. Zerbrach mir den Kopf wegen meiner Tochter.
Ich war jetzt seit zwölf Stunden in Bagram. Wo war Katy? Warum hatte Blanton sie noch nicht gefunden?
Ich marschierte weiter sinnlos auf und ab.
Warum hatte ich Welsted nicht ins Vertrauen gezogen?
Ich kannte Katys Einheit. Ich konnte sie selbst finden.
Nein, riet mir eine leise Stimme.
Dieses eine Mal befolgte ich ihren Rat.
Ich holte mir eine Flasche Wasser aus dem Schrank, schob Papiere und Magazine auf dem Tisch beiseite, holte die Gross-Akte aus meinem Rucksack und fing an zu lesen.
Doch sehr schnell wurden mir die Augen schwer. Ich konnte mich nicht konzentrieren.
Vielleicht bringen dich Essen und ein bisschen Bewegung wieder auf Vordermann, dachte ich mir und ging zur Kantine.
Vierzig Minuten und einen epischen Salat später bog ich wieder in meine Hüttenstraße ein. Mein Puls beschleunigte sich, als ich den rosa Zettel sah, der im Türstock meiner Hütte klemmte. Ich rannte los, weil ich hoffte, dass es eine Nachricht von Katy war.
War es auch.
Kann gar nicht glauben, dass Du hier bist. Wahnsinn! Bin mit meiner Einheit heute und morgen unterwegs. Treffen morgen Abend. Zehn Uhr, Lighthouse Coffeehouse. (Zu spät für Dich, alte Dame? Haha!) Sag nichts zu meinen Haaren.
Katy.
Ja!
Mit leichterem Herzen und frischer Energie kehrte ich zu der Akte zurück.
20
Zuerst las ich den Vorfallbericht des NCIS . Ohne groß auf das Fachkauderwelsch zu achten, konzentrierte ich mich auf die wesentlichen Fakten.
Eine Abriegelungs-und Durchsuchungsoperation in Sheyn Bagh führte zu einem Feuergefecht, in dessen Verlauf zwei unbewaffnete afghanische Zivilisten erschossen wurden. Der Schütze war Second Lieutenant John Gross. Gross funkte seinen Gefechtsschadensbericht ans Kompaniehauptquartier und erläuterte nach seiner Rückkehr ins FOB Delaram seinem Kompaniekommandanten Captain Wayne Hightower den Vorfall detaillierter.
Hightower gab Gunnery Sergeant Werner Sharp den Befehl, alle Beteiligten zu befragen und den Vorfall ans Bataillonshauptquartier zu melden. Die Befragten berichteten Sharp, dass die Fahrt nach Sheyn Bagh dreißig Minuten gedauert habe. Der Konvoi aus fünf Humvees und einem Siebentonner-Panzerfahrzeug erreichte das Dorf bei Sonnenuntergang. Zwei der Humvees waren mit schweren Maschinengewehren M2 Kaliber 50 bewaffnet. Auch wenn das Dorf bis dahin als freundlich gesinnt betrachtet wurde, hatte der Nachrichtendienst von möglichen Waffen-und Sprengstofflagern berichtet. Die Einheit befand sich in höchster Alarmbereitschaft.
Sheyn Bagh war auf drei Seiten von einer Mauer umgeben, an der vierten erhob sich ein steiler Hügel. Die vordere Wand hatte zwei Einlässe von der Straße ins Dorf, einen an jedem Ende.
Ich schaute mir die Fotos des NCIS an. Die Szene sah aus wie aus einem Roman von Ray Bradbury.
Zurück zur Zusammenfassung.
Das Licht wurde schwächer. Drei Humvees fuhren ins Dorf, zwei gingen vor der Mauer in Position, jeder neben einem Einlass. Der Siebentonner stellte sich zwischen sie.
Einsatzteams der zweiten und dritten Abteilung begannen nun damit, an Türen zu klopfen und die Bewohner aufzuscheuchen, wobei sie sich von gegenüberliegenden Enden zur Mitte vorarbeiteten. Die erste Einheit hatte den Befehl, die Fahrzeuge zu bewachen und die Durchsuchenden zu decken.
Lieutenant Gross blieb, bewaffnet mit einem M16 und einer M9 Beretta, vorne stehen, um die Operation zu überwachen und zusätzlichen Feuerschutz zu geben. Gross wies den Schützen Corporal Grant Eggers an, mit seinem leichten Maschinengewehr ebenfalls vorne in Stellung zu gehen.
Das erste zu kontrollierende Haus befand sich an dem Ende dicht vor dem Lieutenant. Zwei männliche Afghanen wurden nach draußen geführt und angewiesen, dort stehen zu bleiben. Die Durchsuchenden fanden nichts und gingen zum nächsten Haus. In diesem Augenblick erschütterte eine Explosion den Bereich neben einem der Humvees. Die Explosion klang wie eine raketengetriebene Granate. Zwei Marines in der Nähe des Humvee wurden getroffen.
Feuer aus automatischen Gewehren von der Hügelflanke wirbelte Staub im vorderen Teil des Dorfplatzes auf. Lieutenant Gross schrie »Feindberührung« und »Feuer erwidern, Feuer erwidern«. Er rief den Schützen an den schweren
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