Totengrund
Uhren ticken, keinen Kühlschrank brummen. Nur die Totenstille eines leeren Raums.
Ein plötzliches metallisches Scheppern ließ Maura zusammenzucken.
» ’ tschuldigung«, sagte Arlo, der am Kamin stand. »Ich glaube, ich habe den Schürhaken umgeworfen.« Nach einer Pause fügte er hinzu. »He, hier sind Streichhölzer.«
Sie hörten das Ratschen des Streichholzkopfs auf der Reibefläche. Im flackernden Schein der Flamme sahen sie die Holzscheite, die neben dem gemauerten Kamin gestapelt waren. Dann erlosch das Streichholz.
»Machen wir ein Feuer«, schlug Doug vor.
Maura erinnerte sich an die Zeitung, die sie an der Tankstelle gekauft hatte, und zog sie aus ihrer Handtasche. »Brauchst du Papier zum Anzünden?«
»Nein, hier ist ein ganzer Stoß.«
Im Dunkeln hörten sie, wie Doug Anzündholz aufklaubte und Zeitungen zerknüllte. Er zündete ein zweites Streichholz an, und das Papier fing Feuer.
»Es werde Licht«, kommentierte Arlo.
Und es ward Licht. Und warm wurde es auch – willkommene Wellen heißer Luft schlugen ihnen entgegen, als das Anzündholz sich entflammte. Doug legte zwei Scheite aufs Feuer, und sie rückten alle näher, um sich an der Wärme und dem hellen Schein zu laben.
Jetzt konnten sie mehr von dem Zimmer sehen. Die Einrichtung war aus Holz, schlicht und einfach gearbeitet. Ein großer geflochtener Teppich bedeckte die Dielen vor dem Kamin. Die Wände waren kahl, bis auf ein gerahmtes Poster, das einen Mann mit kohlschwarzen Augen und einer dichten dunklen Mähne zeigte. Sein Blick war ehrfürchtig gen Himmel gerichtet.
»Hier ist eine Öllampe«, sagte Doug. Er zündete den Docht an und lächelte, als es im Zimmer hell wurde. »Wir haben Licht, und wir haben einen ordentlichen Sta pel Brennholz. Wenn wir nur dafür sorgen, dass das Feuer nicht ausgeht, werden wir es bald richtig schön warm haben.«
Maura betrachtete den Kamin, der noch voller alter Asche war, und runzelte plötzlich die Stirn. Das Feuer brannte sauber, die Flammen loderten auf wie spitze Zähne. »Wir haben den Rauchabzug nicht geöffnet«, sagte sie.
»Es scheint aber gut zu brennen«, meinte Doug. »Es bildet sich kein Rauch.«
»Das meine ich ja gerade.« Maura kniete sich hin und spähte in den Kamin hinauf. »Der Rauchabzug war schon offen. Das ist doch merkwürdig.«
»Wieso?«
»Wenn man sein Haus für den Winter dicht macht, würde man dann nicht normalerweise die alte Asche entfernen und den Rauchabzug schließen?« Sie hielt inne. »Und würde man nicht die Haustür abschließen?«
Sie schwiegen einen Moment, während das Feuer brannte und das Holz in den Flammen zischte und knackte. Maura sah die nervösen Blicke, die ihre Gefährten in die dunklen Ecken schickten, und wusste, dass der gleiche Gedanke ihnen durch den Kopf schoss: Sind die Bewohner auch wirklich abgereist?
Doug richtete sich auf und nahm die Öllampe. »Ich glaube, ich sehe mich mal im Rest des Hauses um.«
»Ich komm mit dir, Daddy«, erklärte Grace.
»Ich auch«, sagte Elaine.
Jetzt waren sie alle auf den Beinen. Niemand wollte zurückbleiben.
Doug ging durch den Flur voran, wo die Öllampe flackernde Schatten an die Wände warf. Sie betraten eine Küche mit Dielen und Schränken aus Kiefernholz und einem Holzherd. Über der Spüle aus Speckstein war eine Handpumpe für Brunnenwasser. Doch was ihre Aufmerksamkeit bannte, war der Anblick des Esstischs.
Auf diesem Tisch standen vier Teller mit vier Gabeln, dazu vier Gläser voll gefrorener Milch. Das Essen war auf den Tellern erstarrt – etwas Dunkles, Klumpiges, neben betonharten Haufen von Kartoffelpüree, alles mit einer feinen Reifschicht überzogen.
Arlo stieß einen der dunklen Ballen mit einer Gabel an. »Sieht nach Frikadellen aus. Na, was glaubt ihr – welches war wohl der Teller von Baby Bär?«
Niemand lachte.
»Sie haben einfach ihr Essen stehen lassen«, sagte Elaine. »Sie haben sich Milch eingeschenkt und das Essen auf den Tisch gestellt. Und dann …« Sie verstummte und sah Doug an.
Im Halbdunkel flackerte die Öllampe plötzlich auf, als ein Luftzug durch die Küche wehte. Doug ging zum Fenster, das die Bewohner offen gelassen hatten, und schob es zu. »Das ist auch seltsam«, sagte er und starrte mit gerunzelter Stirn auf die Schneeschicht, die sich im Spülbecken gebildet hatte. »Wer lässt denn bei dieser Eiseskälte die Fenster offen?«
»He, seht mal. Hier drin sind Lebensmittel!« Arlo hatte die Tür des Vorratsschranks geöffnet, hinter der
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