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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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irgendwie süß. Ist dir schon mal aufgefallen, wie er seinen linken Arm hält? Die Narben, die er da hat, müssen ihm ständig zu schaffen machen.«
    »Narben?« Sie sah mich bedeutungsvoll an. »Du meinst, mehr als eine?«
    »Ich habe sie an dem Tag im Archiv gesehen, als sein Hemdsärmel hochgerutscht war. Die gehen kreuz und quer über die Pulsader, so als hätte er ganz oft versucht, sie zu durchtrennen, aber nie tief genug geschnitten, dass er es auch geschafft hat. Wenn man so darüber nachdenkt, ist das wirklich traurig. Hat er keine Familie?«
    »Ich weiß nicht viel über seine Herkunft. Ich meine, mich zu erinnern, dass mal jemand erwähnt hat, er hätte es einem gut situierten Verwandten zu verdanken, dass er in Emerson studieren konnte. Ich habe Daniel echt nie besonders beachtet. Er war einer von denen, die einem gar nicht auffallen, weil sie so unscheinbar sind.«
    So wie ich , dachte ich.
    »Wie kommt es dann, dass du Mariama in Emerson nicht gekannt hast?«, fragte ich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die so unscheinbar war, dass sie einem nicht aufgefallen ist. Und das Gleiche gilt für Devlin.«
    »Devlin war in Emerson? Dann muss er in einem unteren Jahrgang gewesen sein. Ich habe mich nicht viel mit den Jüngeren abgegeben. Ab dem dritten Studienjahr war ich mehr oder weniger immer mit dem gleichen Kreis von Leuten zusammen, die alle die gleichen Interessen hatten wie ich.«
    »Wie Camille?«
    Sie schloss einen Moment lang die Augen. »Ich kann das immer noch nicht fassen. Wir hatten zwar Meinungsverschiedenheiten, aber so etwas hätte ich ihr nie im Leben gewünscht.«
    »Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
    Gereizt blitzte sie mich an. »Oh nein, bloß nicht! Wir werdenhier heute Abend keine Inquisitionsnummer abziehen. Das hier ist eine Party. Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich jetzt lieber nicht daran denken, was der armen Camille zugestoßen ist. Denn wenn es ihr passieren konnte   …« Schaudernd verstummte sie.
    Wir hatten inzwischen das Ende des Flurs erreicht, wo sich Dr. Shaws Büro befand. Durch eine Spalte zwischen den Schiebetüren drangen Fetzen eines erbitterten Streits, und Temple und ich sahen einander kurz an. Bevor wir uns wieder entfernen konnten, wurden die Türen aufgeschoben, und Ethan trat auf den Flur. Als er uns sah, blieb er wie angewurzelt stehen.
    »Ich wusste nicht, dass hier draußen jemand ist.«
    »Wir sind gerade erst gekommen«, erwiderte Temple mit sanfter Stimme.
    Erleichterung huschte über sein Gesicht. Es war offensichtlich, dass er sich mit seinem Vater gestritten hatte, und ebenso offensichtlich war, dass er dabei nicht hatte belauscht werden wollen.
    »Wir sind gekommen, um Rupert zum Geburtstag zu gratulieren«, fügte Temple hinzu.
    Ethan winkte uns herein. »Vielleicht könnt ihr ihn überreden, diesen Raum zu verlassen und zu der Feier zu gehen«, sagte er mit einem Anflug von Verärgerung in der Stimme. »Was diese Party angeht, ist er so bockig wie ein kleines Kind.«
    »Ich werde tun, was ich kann.«
    Während Temple hineinging, um Dr. Shaw zu suchen, blieb ich auf dem Flur stehen, um mich kurz unter vier Augen mit Ethan zu unterhalten.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich ihn.
    Er wirkte genervt. »Seit Wochen ist er total daneben. Einer seiner ehemaligen Assistenten bringt ein Buch heraus, in dem er sich auf Vaters Forschungsarbeiten stützt, ohne das in dem Buch zu erwähnen.«
    »Das wäre wirklich ärgerlich, besonders wenn dieser Assistent das Material gestohlen hat.«
    »Sie wissen von der Sache?«, fragte Ethan erstaunt.
    »Als ich das letzte Mal bei Ihrem Vater war, hat er mir erzählt, dass jemand ihm ganz langsam sein Lebenswerk raubt.«
    »Ja, na ja, wie ich schon sagte, er regt sich schrecklich darüber auf. Er will dagegen klagen, aber so ein Gerichtsverfahren ist teuer. Um Geld hat Vater sich nie Gedanken machen müssen, also hat er von solchen Dingen überhaupt keine Ahnung. Aber genug davon.« Sein Lächeln wirkte ein wenig gezwungen. »Wie geht es Ihrer Mutter?«
    »Die Therapie schlägt gut an, und sie ist zuversichtlich. Eigentlich viel mehr als ich. Ich bemühe mich aber, dagegen anzugehen. Deshalb dachte ich, es würde mir guttun, mal einen Abend auszugehen.«
    »Sie sehen viel ausgeruhter aus als beim letzten Mal, als ich Sie gesehen habe.«
    Ich versuchte, mich zu erinnern, wann das gewesen war. In Oak Grove, nur wenige Stunden bevor wir Camilles Leiche gefunden hatten. Er hatte mir von dem Tag

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