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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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gaukelte mir abermals einen Blick auf den Mann vor, der er früher einmal gewesen war. Ich konnte die Feuchtigkeit des Nebels in seinen Haaren und an den Spitzen seiner Wimpern schimmern sehen. Er hatte hohe Wangenknochen, und seine breiten, vollkommen symmetrischen Augenbrauen passten perfekt zu seiner stark gebogenen Nase. Seine Augen waren dunkel, doch ich hatte sie bis jetzt noch nie gesehen wenn es hell war, sodass ich nicht sagen konnte, welche Farbe sie genau hatten.
    Er war attraktiv, charismatisch und hoch konzentriert, und er faszinierte mich fast ebenso sehr, wie er mich verwirrte. Ich konnte ihn nicht lange ansehen, ohne dass in meinem Kopf die dritte Regel meines Vaters ertönte:
    Halte dich fern von Menschen, die von Geistern heimgesucht werden.
    Ich atmete tief die feuchte Luft ein und versuchte, den befremdlichen Zauber abzuschütteln, den er auf mich ausübte. »Haben Sie schon etwas über das Opfer herausfinden können?«
    Selbst in meinen Ohren klang meine Stimme zögerlich, und ich fragte mich, ob er wohl spürte, wie unbehaglich ich mich fühlte. An ein gewisses Maß an Unbehagen in seiner Gegenwart war er bestimmt gewöhnt. Schließlich war er ein Cop. Ein Cop mit einer verworrenen Vergangenheit, wie ich ganz allmählich argwöhnte.
    »Wir wissen noch nicht, wer sie ist, wenn es das ist, was Sie wissen möchten.«
    Das Opfer war also eine Frau. »Wissen Sie, wie sie ums Leben gekommen ist?«
    Er schwieg, und sein Blick schweifte ab, bevor er antwortete. »Mit Bestimmtheit wissen wir das erst nach der Autopsie«, meinte er dann.
    Es war nicht so sehr das, was er sagte, als vielmehr das, was er nicht sagte. Und die Tatsache, dass er mir dabei nicht in die Augen sehen konnte. Was verbarg er vor mir? Was für schreckliche Dinge hatte man dieser armen Frau angetan?
    Und dann dachte ich plötzlich an die vielen Stunden, die ich allein auf diesem Friedhof gearbeitet hatte. Was, wenn der Mörder bei dieser Gelegenheit auch hier gewesen war?
    Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte Devlin: »Eines kann ich Ihnen allerdings jetzt schon sagen. Sie ist nicht hier ermordet worden. Man hat ihre Leiche nur auf diesen Friedhof gebracht, um sie zu beseitigen.«
    Sollte mich das etwa beruhigen?
    »Warum gerade hier, frage ich mich.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Der Ort ist ganz gut geeignet. Dieser Friedhof war jahrelang verwaist, und der Boden an den alten Grabstellen ist weich. Macht das Graben leicht. Hinterher deckt man die Stelle mit ein paar toten Blättern und ein bisschen Schutt zu, und keinem, der im Vorbeigehen daraufschaut, fällt auf, dass die Erde aufgegraben wurde.«
    »Aber dann hat es angefangen zu regnen.«
    Jetzt sah er mich wieder an. »Es hat nicht nur angefangen zu regnen   – Sie sind plötzlich aufgetaucht. Selbst wenn der Regen die Erde nicht weggespült hätte, bestand die Gefahr, dass Ihnen beim Säubern der Gräber aufgefallen wäre, dass da unlängst jemand gegraben hat.«
    Von mir aus kann man mich feige nennen, aber ich war heilfroh, dass es anders gekommen war. »Wer hat die Leiche gefunden?«
    »Ein paar Studenten sind über die Mauer geklettert, um hier eine kleine Party zu veranstalten. Sie haben den Kopf mit dem Torso, die herausgeschaut haben, entdeckt und die Campus-Polizei verständigt. Dr. Ashby hat das Charleston PD alarmiert und uns dann am Tor abgeholt, um uns hereinzulassen.« Auf einmal veränderte sich der Ton in seiner Stimme. »Sie hat erwähnt, dass Sie ebenfalls einen Schlüssel haben.«
    Ich nickte. »Sie hat mir einen gegeben, als ich die Verträge unterschrieben habe.«
    »Und Sie haben den Schlüssel in den letzten paar Tagen niemandem geliehen? Er ist nicht verschwunden oder so?«
    »Nein, natürlich nicht.« Entsetzt schaute ich zu ihm hoch. »Sie wollen doch wohl hoffentlich nicht andeuten, dass der Mörder meinen Schlüssel benutzt hat, um hier hereinzukommen, oder?«
    »Ich stelle Ihnen nur die gleichen Fragen, die ich auch schon Camille Ashby gestellt habe. Es sieht nicht so aus, als wäre dasSchloss aufgebrochen worden, also ist die logische Schlussfolgerung, dass der Mörder einen Schlüssel benutzt hat.«
    »Vielleicht ist er gar nicht durch das Tor gekommen. Er könnte ja auch über den Zaun geklettert sein, so wie diese Kids.«
    Devlin sah sich um. »Die Mauern hier sind dreieinhalb oder vier Meter hoch, und sie sind überwuchert mit Kletterpflanzen und Dornengestrüpp. Es ist eine Sache, mit einer Flasche Jack Daniels oder einem Sixpack

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