Totenhaut
angesehen. Hat dem Chirurgen zugesehen, wie er Leute aufschneidet, nachgefragt, wie er was macht, sich Anatomiebücher ausgeliehen.«
»Menschenskind.«
»Glaubst du mir jetzt?«
Rick verfärbte sich ein wenig. »Ja, ich glaube, du könntest recht haben.«
»Komm, wir fahren zu ihm nach Hause.« Jon marschierte schon auf die Doppeltür zu.
»Und was ist mit dem Chef?«, rief Rick ihm nach.
Jon fischte sein Handy heraus. »DCI McCloughlin, bitte. Hier spricht DI Spicer.«
Einen Augenblick später war McCloughlin am Apparat.
»Haben Sie interessante Neuigkeiten für mich, Spicer?«
»Ja, Sir, die habe ich. Sehr interessante sogar. Pete Gray ist im Krankenhaus Stepping Hill bei Operationen dabei gewesen und hat dem Chirurgen aus nächster Nähe zugesehen. Zwar nur zugesehen, aber er hat sich auch Anatomiebücher ausgeliehen.«
»Was, zum Teufel, haben Sie dort verloren? Ich habe Sie angewiesen, die Aufzeichnungen der Überwachungskameras vom Bahnhof Piccadilly durchzusehen.«
Jon warf Rick einen schuldbewussten Blick zu. »Wir haben sie uns alle angesehen, Sir. DS Saville und ich haben uns die Bänder geteilt. Wir haben den Großteil der Nacht und den ganzen Vormittag damit verbracht. Nein, Sir, nichts. Gar nichts. Ich glaube, das war ein Täuschungsmanöver. Der Wagen wurde dort geparkt, um es so aussehen zu lassen, als sei Gordon Dean geflohen.«
»Und diese Prostituierte, wo ist die jetzt? Wir müssen sie finden.«
»Rick und ich glauben, dass die Prostituierte noch in der Gegend ist. Und ich bin sicher, dass wir sie mit der Zeit auch finden. Aber was Pete Gray betrifft, bin ich der Meinung, dass wir unbedingt mit ihm reden und ihn um eine DNA-Probe bitten müssen, um ihn als Verdächtigen auszuschließen.«
»Und jetzt sagen Sie mir bloß nicht, dass Sie zufällig gerade Gelegenheit haben, mit ihm zu sprechen.«
»So ist es aber. Wir sind ungefähr zehn Minuten von seinem Haus entfernt.«
»Eine Unterhaltung, Spicer. Und eine höfliche Bitte um einen Abstrich. Nicht mehr, haben Sie verstanden?«
»Vollkommen. Danke, Sir. Wir halten Sie auf dem Laufenden.« Er klappte das Handy zu, Erleichterung in seiner Miene. »Wir haben grünes Licht.«
Auf dem Weg zur Haustür zeigte Jon auf die Aufkleber, die die Heckfenster von Pete Grays Lieferwagen zierten: Fickschlitten und Hämmern zwecklos, hier wird genagelt.
Rick zog die Augenbrauen hoch. »Zeugt von Klasse.«
Jon drückte auf die Klingel und trat einen Schritt zurück. Ein paar Augenblicke später war das Klirren von Schlüsseln zu hören, und die Tür schwang auf.
Pete Gray sah heraus. Sein Haar war zerzaust, breite, fettige Strähnen hingen ihm ins Gesicht. Nervös strich er sie sich nach hinten.
»Mr. Gray, DI Spicer und DS Saville. Wir haben schon mit Ihnen –«
»Ja, ich erinnere mich. Was wollen Sie?«
»Könnten wir kurz reinkommen?« Jon machte einen Schritt auf die offenstehende Tür zu.
Gray wich zurück und blickte über die Schulter zurück ins Haus. »Hmh, können Sie später wiederkommen?«
»Es dauert wirklich nicht lang.«
Gray rieb sich mit den Knöcheln einer Hand das unrasierte Kinn. »Es ist gerade nicht so günstig.«
»Wie gesagt, Sie sind uns gleich wieder los.« Jon stützte eine Hand auf den Türrahmen.
Gray sah sie an. »Verhaften Sie mich?«
»Warum sollten wir das tun?«
»Keine Ahnung.« Ein zweites Mal wanderte sein Blick zu Jons Hand. »Okay, kommen Sie mit in die Küche.«
Die Küche lag direkt vor ihnen am Ende eines kurzen Flurs. Davor gab es zwei Türen, eine auf jeder Seite. Jon wusste, dass die rechte in das Zimmer mit dem Fernseher führte, dessen Regale mit Büchern vollgestopft waren. Die linke Tür zog Pete Gray im Vorübergehen zu.
Jon deutete auf die geschlossene Tür. Dann betrat er das Haus und ging in das Fernsehzimmer.
Gray wirbelte herum.« He! Die Küche ist da vorn.«
Jon stand schon mitten im Zimmer und betrachtete die Bücherregale. »Wie bitte?«
Wütend folgte Gray ihm ins Zimmer »Sie haben genau gehört, was ich gesagt habe. Die Küche ist –«
Da hörte er, wie die Tür zum anderen Zimmer aufging und erkannte, dass er zwischen den beiden Männern gefangen war.
Jon las einige der Buchtitel vor. »Die anatomischen Zeichnungen Leonardo da Vincis. Andreas Vesalius: Das Werk eines Meisters. Klinische Anatomie für Medizinstudenten, Richard S. Snell. Grays Anatomie. Was für eine seltsame Sammlung. Was fangen Sie denn mit solchen Büchern an?« Er nahm Grays Anatomie aus dem
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