Totenhaut
früher getan habe. Schon als Teenager und mit Anfang zwanzig hatte er sich immer wieder als Strichjunge sein Geld verdient. Er kannte den florierenden Markt für Transvestiten und Transsexuelle, die sich noch nicht hatten operieren lassen. Weil sie wusste, dass sein Glück von einer Geschlechtsumwandlung abhing, hatte sie sich letztendlich mit der Vorstellung abgefunden.
Am ersten Abend, als er in voller Montur ausging, hatte sie Todesängste um seine Sicherheit ausgestanden. Doch am nächsten Morgen war er um mehrere hundert Pfund reicher wiedergekommen. Ein paar Nächte später hatte er genug verdient, um die Wangenimplantate zu bezahlen, die Dr. O’Connor ihm einsetzte. Das war der Anfang gewesen. Alex verkaufte sich, um einen chirurgischen Eingriff bezahlen zu können. Dann lag er im Bett und ließ sich von ihr pflegen, bis seine Wunden verheilt waren. Dann ging er wieder auf die Straße, um seinen nächsten Besuch bei Dr. O’Connor finanzieren zu können.
Natürlich gab es auch Zeiten, in denen er wütend war, verletzt durch vernichtende Bemerkungen seiner Kunden oder von ihnen um sein Geld geprellt, nachdem er ihre Bedürfnisse befriedigt hatte. Ihre Gedanken sprangen zurück zu der Nacht, in der Fiona vermutet hatte, sie hätte gehört, wie jemand umgebracht worden sei. »Alex, in der Nacht, bevor Dr. O’Connor dir die Nase und das Kinn operiert hat, da hast du doch gearbeitet, erinnerst du dich? Du hast in den frühen Morgenstunden einen Kunden ins Motel gebracht. Wart ihr in Zimmer neun?«
»Die zweite Schublade!« Ganz plötzlich ein Schrei im Falsett.
Sie zuckte zusammen, dann stürzte sie zur Kommode.
Obenauf stand ein Perückenkopf mit einer von roten Strähnen durchzogenen kastanienbraunen Perücke.
Dawn zog die Schublade auf und schaute verblüfft auf die Geldstapel darin. »Wo kommt das denn alles her?«
»Nimm zweihundert. Geh rüber zu Annabella. Sag ihr. ich brauch eine Zweiwochenration Androton, zweihundertfünfzig Milligramm pro Tag. Und Progesteron, Fünf-Milligramm-Pillen, alles, was sie dahat. Jetzt geh!«
Dawn zog vier Fünfzig-Pfund-Scheine heraus und rannte beinahe aus dem Zimmer.
Der Patient lehnte sich zurück, die Arme über der Decke, die Handflächen nach oben. Ein paar Sekunden später flog das Rotkehlchen herein. Es setzte sich ans Bettende und guckte ihn an. Dann flog es ein Stück höher und landete neben seiner Hand. Er beobachtete es teilnahmslos, bis es auf seine Hand hüpfte. Dann umklammerte er es mit seinen Fingern und quetschte es tot.
30
S
ie haben was getan?« McCloughlin explodierte.
Jon sprach mit ruhiger Stimme weiter. »Sir, er wollte abhauen. Wir hatten keine Wahl.«
McCloughlin forderte Rick mit einem Blick zu weiterer Information auf.
»Das stimmt, Sir. Er sah mich mit diesen Bildern und stürzte zur Tür.«
»Woran ihn DI Spicer unter Einsatz seines ganzen Körpers so stark hinderte, dass Gray jetzt behauptet, er habe sich dabei die Schulter ausgekugelt.« Die Verachtung in McCloughlins Stimme war unüberhörbar.
»Sie ist nicht ausgekugelt, Sir. Glauben Sie mir, da hätte er viel lauter gequietscht«, antwortete Jon.
»Scheiße«, fluchte McCloughlin. Er senkte den Blick auf den durchsichtigen Plastikbeutel mit der Bildersammlung darin.
Rick trat vor. »Das ist die Arbeit eines deutschen Anatomen namens Gunter von Hagens. Er hat die Plastination entwickelt. Das ist ein Konservierungsverfahren, bei dem er den Leichen von Menschen, die ihren Körper der medizinischen Forschung vermacht haben, die Haut abzieht und sie seziert, um die inneren Organe freizulegen. Das Ganze wird präpariert und ausgestellt.«
McCloughlin schüttelte den Kopf. »Ja, ich erinnere mich. Es gab im Fernsehen eine Dokumentation. Nach ein paar Minuten habe ich umgeschaltet.« Er starrte das Foto einer Leiche an, der ihre eigene Haut über den ausgestreckten Arm gelegt worden war. Und dann das eines Mannes, der einen Basketball in einer Klaue hielt. Der Körper war angespannt und bereit zum Sprung, alle Muskeln freigelegt und der Mund zu einem ewigen Keuchen geöffnet.
»Wo sind diese Monstrositäten ausgestellt?«
»Er hat eine Ausstellung namens Körperwelten. Die reist durch die ganze Welt. Diese Bilder hier stammen von der, die bis Anfang des Jahres in London zu sehen war. Und auf seiner Webseite gibt es noch jede Menge andere zu kaufen.«
McCloughlin schob die Bilder von sich. »Pete Gray hat sie sich also angesehen. Okay, gehen Sie und befragen Sie ihn. Ich
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