Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sandford
Vom Netzwerk:
und die Sonne schien schräg durch die Bäume auf die Straße. Wegen des aufgerissenen Bürgersteigs und der Baumaschinen auf der Straße musste er bis zum Ende des Blocks gehen und dort auf das Taxi warten.
    Der Fahrer war etwa einundzwanzig, schweigsam, ja geradezu
mürrisch, und trug einen alten Tweedmantel über einem T-Shirt und eine flache Tweedkappe.
    »Harte Nacht?«, fragte Jake.
    Die Augen des Fahrers bewegten sich zum Spiegel. »Die sind alle hart, Kumpel.«
    Jake unterdrückte ein Lächeln. Der Taxifahrer lebte in einem Film und gab Filmsprüche von sich.
     
    Das J. Edgar Hoover Building des FBI war ein nichts sagender Büroklotz auf der Pennsylvania Avenue zwischen Weißem Haus und Capitol. Jake passierte die Sicherheitskontrolle und stieg in einen Aufzug. Er brauchte keine Wegbeschreibung.
    Mavis Sanders war die stellvertretende Leiterin der Abteilung für Terrorismusbekämpfung beim FBI. Sie empfing ihn an der Tür zu ihrem Büro. »Schon wieder ein Problem«, sagte sie. Sie lächelte, aber ihre Stimme klang ernst.
    »Wie geht’s denn so, Mavis?«, fragte Jake und küsste sie auf die Wange.
    »Mein Tag fing gar nicht so schlecht an, bis man mir um halb acht mitteilte, dass du vorbeikommst«, sagte sie.
    »Na komm schon, wir sind doch alte Kumpel.«
    »Yeah. Setz dich, alter Kumpel.« Sie war eine schlanke, zierliche schwarze Frau, die sich einen Namen damit gemacht hatte, aus dem Iran stammende Dschihadkrieger aufzuspüren. Sie ließ sich auf ihren Stuhl sinken, blickte auf ein Blatt Papier, schob es zur Seite, faltete die Hände auf dem Schreibtisch und fragte: »Was gibt’s?«
    »Der Präsident und der Stabschef haben beschlossen, dass ich Lincoln Bowe finden soll. Ich brauche Zugang zu euren Ermittlungsakten, und außerdem brauche ich dich beziehungsweise jemand anderen, der dies zu einer Sache von höchster Priorität macht und alles für mich regelt.«
    »Die Sache hat höchste Priorität.«

    »Blödsinn. Jeder reicht es an den Nächsten weiter und hofft das Beste«, sagte Jake. »Eure Leute in Richmond koordinieren lediglich die Zusammenarbeit, und ihr beschäftigt keine wirklich hochrangigen Mitarbeiter damit außer im PR-Bereich.«
    »Jake, darüber weiß ich wirklich nichts.«
    »Ich möchte gerne, dass Novatny an der Sache arbeitet.«
    »Warum überhaupt wir?«, fragte sie entnervt. »Wir sind nicht für Mordfälle zuständig, und wir haben bereits genug am Hals.«
    »Weil du unter vier Augen mit dem Direktor reden und ihm sagen kannst, dass es dem Präsidenten ernst ist und dass er stinksauer ist. Sag ihm, dass einige Bürokratenärsche dran glauben müssen und dass ein paar Karrieren ein abruptes Ende finden. Okay?«
    »Okay …«
    »Und weil du zu den klügsten Menschen gehörst, die ich hier kenne. Und weil du, auch wenn ihr nicht für Mordfälle zuständig seid, in der Terrorismusbekämpfung arbeitest, und die Sache riecht nach Verschwörung. Da müssen wir ansetzen: Wir müssen in die Gruppe von Männern hineinkommen, die Lincoln Bowe verschleppt haben. Und schließlich, weil du Leute hast, bei denen die Chance besteht, dass sie den Mund halten. Wir wollen die Sache nicht noch mehr aufbauschen, als sie das bereits ist. Wir wollen, dass sie ein Ende findet.«
    Sie zog die Mundwinkel nach unten und sagte: »Sie kann nicht viel mehr aufgebauscht werden. Hast du Madison Bowe im Fernsehen gesehen?«
    »Ja. Und ich habe gestern Abend mit ihr gesprochen.«
    Sie sah ihn einen Augenblick an, seufzte und sagte: »Na schön. Ich werde mit dem Direktor reden.«
    »Und er wird zustimmen.«
    »Ja. Wenn er nur den leisesten Hauch verspürt, kann er dir sagen, woher der Wind weht.«

    »Und wir kriegen Novatny.«
    »Das lässt sich wohl arrangieren«, stimmte sie zu.
    »Prima«, sagte Jake und drückte sich vom Stuhl hoch. »Dann will ich dich nicht länger belästigen.«
    »Und du erwähnst meinen Namen dem Chef gegenüber?«
    »Klar«, erwiderte Jake. »In zwei Wochen bist du Botschafterin. Welches Land hättest du denn gern?«
    »Du Arsch.«
    »Danke, Mavis. Mit wem muss ich wegen der Akten reden?«
     
    Sie fand ein leeres Konferenzzimmer für ihn, und eine Büroangestellte brachte ihm einen dünnen Stapel Papier, Computerausdrucke. Zu dünn, dachte er, als er ihn sah. Die FBI-Ermittlungen wurden von der Zweigstelle in Richmond aus geführt, doch die Feds hatten die Sache nicht wirklich an sich gezogen. Die meiste Arbeit wurde vom Virginia Bureau of Criminal Investigation geleistet, das Bowes

Weitere Kostenlose Bücher