Totenklage
Jake.
»Vielleicht hab ich ihn ja auch falsch verstanden. Er muss völlig fertig sein. Wie ich schon sagte, er und Linc haben sich sehr
nahegestanden. Wenn diese Schwulengeschichte rauskommt, werden die Leute auf Howard blicken. Großer, gutaussehender Mann, nie verheiratet … Er verkehrt mit allen wichtigen Colonels im Pentagon, spielt mit ihnen Poker, fährt mit ihnen zum Angeln in die Washington Bay. Sie wissen schon, die Leute, die seine Produkte kaufen. Die sind vermutlich nicht gerade schwulenfreundlich.«
»Vermutlich nicht«, stimmte Jake zu.
Sie gingen zweimal um die Ecke, dann überquerten sie die Straße, in der Jake wohnte, gingen aber noch einen weiteren Block geradeaus. Es war schön, durch die Nacht zu spazieren, die feucht, kühl und still war.
»Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«, fragte Jake.
»Reden Sie mit ihm, reden Sie mit Howard. Nicht als Polizist, sondern als einer, der weiß, was das FBI weiß … und der auch über diese Sache Bescheid weiß. Versuchen Sie herauszufinden, ob irgendwas nicht stimmt.«
»Ich kann natürlich mit ihm reden. Aber wenn irgendetwas Schwerwiegendes dabei herauskommt, muss ich das FBI informieren.«
»Klar – wenn es Grund zu der Annahme gibt, dass Howard etwas damit zu tun hat. Aber das hat er nicht. So etwas würde er niemals tun. Er und Linc waren wirklich wie Brüder. Er ist der letzte Mensch auf der Welt, der Linc wehtun würde.«
»Gerade das macht mich misstrauisch. Wenn jemand Miss Marple erzählte, dass der und der es auf keinen Fall gewesen sein könnte …«
»Dann wüssten Sie, wer der Mörder ist. Aber ich bin nicht Miss Marple, und Howard hat Linc nicht getötet.«
Zwanzig Meter gingen sie schweigend nebeneinanderher. Er konnte sie riechen, ein blumiger Duft mit etwas Würzigem, Chanel vielleicht? Hatte sie es aufgetragen, kurz bevor sie zu
ihm gekommen war? Er dachte nicht weiter darüber nach und fragte stattdessen: »Wann haben Sie Lincoln das letzte Mal gesehen?«
»Zwei Wochen bevor er verschwand. Manchmal habe ich ihn jeden zweiten Tag gesehen, manchmal wochenlang überhaupt nicht. Neben der Farm und dem Stadthaus hier haben wir ein Apartment in Manhattan und ein Haus in Santa Fé«, sagte sie. »Er reiste ständig herum. Es fiel ihm schwer, nicht mehr im Senat zu sein. Er vermisste das furchtbar. Deswegen hasste er Goodman, und deshalb hasste er diese Regierung. Allerdings wirkte er in den Wochen, bevor er verschwand, endlich ein bisschen zufriedener. Ich weiß nicht, ob da irgendwas lief, aber er schien das Schlimmste überstanden zu haben.«
»Ach.«
Sie gingen schweigend weiter, bogen um zwei weitere Ecken, bis sie schließlich wieder bei Jakes Haus ankamen. Sie gingen durch die schmale Gasse in den Hinterhof. Als sie neben ihrem Auto standen, sagte Madison: »Ich muss jetzt los. Aber eine Sache möchte ich Sie noch fragen. Oder genauer gesagt zwei. Etwas Persönliches, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich habe mit Johnnie Black über Sie gesprochen …«
»Vergessen Sie nicht, dass er auf der anderen Seite steht. Ein böser Republikaner.«
»Genau wie ich«, erwiderte sie. Er konnte ihr nach oben gewandtes Gesicht in dem Licht sehen, das aus einem der rückwärtigen Fenster fiel. »Er hat gesagt, dass Sie in Afghanistan waren, dass Sie sich dort Ihre Behinderung zugezogen haben. Stimmt das?«
»Ich war einige Jahre bei einer Spezialeinheit«, sagte Jake. »Was ist die zweite Frage?«
»Er hat gesagt, Sie wären mit Nikki Lange verheiratet gewesen.«
»Ja«, sagte er.
»Die Ellbogen-Queen.«
»Ich versuche, nicht darüber nachzudenken. Kennen Sie sie?«
»Ja, wir haben ein Jahr gemeinsam im Verwaltungsrat der Smithsonian Institution gesessen. Ich hab mal einen Kommentar von ihr über Sex und Gewalt gehört.« Sie klang amüsiert und blinzelte ihn im Dunkeln an. »Dass ihr Mann für den Sex sorgte und sie für die Gewalt.«
Er legte den Kopf zurück und lachte. »Das hab ich auch schon mal gehört. Und es stimmt auch im Wesentlichen. Rückblickend würde ich sagen, mir wäre ein afghanisches Gefängnis lieber gewesen.«
»Wie konnten Sie sie nur heiraten?«
»Nun ja, sie ist doch eine attraktive Frau«, sagte Jake.
»Große Titten, kleiner Arsch …«
»Also bitte, seien Sie ein bisschen nett«, sagte Jake. »Wie dem auch sei, politisch stimmen wir so ziemlich überein, und wie Sie und Linc kamen wir ganz gut im Bett klar. Ich hab nur nicht verstanden, dass sie die Königin und ich der Konstabler
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