Totenklage
Fensterplatz und ließ die Fensterabdeckung zugezogen, um nicht dem Licht ausgesetzt zu sein. Gleichzeitig versuchte er, sich zu entspannen, nahm eine Tablette, von denen der Arzt gesagt hatte, sie würden nicht zu benommen machen.
Als die Kopfschmerzen nachließen, schaltete er seinen Laptop an und las die Informationen, die er über Patterson gesammelt hatte. Sie waren von schlechter Qualität, größtenteils auf dem Niveau von Tratsch, aber er konnte zwischen den Zeilen lesen.
Patterson war ein politischer Malocher, die Nummer zwei oder drei in einem Wahlkampf-Managementteam, der Mann, der das tat, was getan werden musste, wofür aber niemand zuständig sein wollte. Der Mann für die Desinformation, der Manipulator. Er hatte bei beiden Senatswahlkämpfen von Bowe mitgearbeitet, einem siegreichen und einem gescheiterten, sowie bei zwei Dutzend weiteren Wahlkämpfen überall im Land. Ein Foto aus der Zeitschrift Washingtonian zeigte einen Mann Mitte vierzig in einem Anzug, der zerknittert, aber teuer aussah, mit einem Drink in der Hand und einem glasigen Lächeln im Gesicht. Es waren etwa ein Dutzend Leute auf dem Foto, drei wie Patterson in Pose, die übrigen standen einfach herum, die meisten mit einem Drink in der Hand. Das Bild war auf einem Wohltätigkeitsball aufgenommen worden.
In einem Umkreis von dreißig Meilen um das Capitol gab es sicher hunderttausend Leute wie Patterson, dachte Jake.
Gewissermaßen elisabethanische Höflinge mit maschinenlesbaren Ausweisen.
Madison Bowe war gerade aus dem Flugzeug gestiegen, ging durch den New Yorker Flughafen La Guardia und schaltete ihr Handy ein. Die Nachricht »Johnson Black anrufen« leuchtete auf.
Sie drückte die Schnellwahltaste. Black nahm ab und fragte unvermittelt: »Hast du das mit Jake Winter gehört?«
Sie blieb abrupt stehen, drehte sich zu einer Wand und steckte den Finger in das freie Ohr – die Privatsphäre von Reisenden. »Was ist passiert?«, fragte sie.
»Er wurde letzte Nacht zusammengeschlagen. Einer meiner Männer hat es von einem Taxifahrer erfahren, und ich hab einen Freund in der Stadt angerufen. Er war über Nacht im Krankenhaus, ist aber schon wieder draußen.«
»Goodman?«
»Ich weiß es nicht. Die Polizei hat es als Raubüberfall aufgenommen. Aber Jake – ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich so einfach überfallen lässt.«
»Oh Gott. Ich ruf ihn an«, sagte sie.
Doch als sie anrief, erreichte sie nur die Mailbox. Sie sagte: »Jake. Rufen Sie mich an. Es ist wichtig. Hier sind die Nummern …«
Im Taxi auf dem Weg zu ihrer Wohnung machte sie sich weiter Sorgen um ihn. Wie schlimm, wie schlimm, wie schlimm? Dann dachte sie: Warum mache ich mir eigentlich Sorgen um ihn?
10
Das Four Seasons war ein unansehnliches, hellgraues Gebäude, das innen mit endlosen Marmorfußböden, weißen Säulen und Kristallkronleuchtern ausgestattet war und über eine Bar verfügte,
die entgegen allen Erwartungen recht viel versprechend aussah. Jake rief übers Haustelefon in Pattersons Zimmer an, rechnete allerdings mit keiner Antwort und stellte sich darauf ein, warten zu müssen.
Doch Patterson nahm beim dritten Klingeln ab. Seine Stimme klang mürrisch und rau, als wäre er gerade erst aufgestanden. »Patterson.«
»Mr. Patterson, mein Name ist Jake Winter. Ich arbeite für Bill Danzig, den Stabschef des Präsidenten. Ich muss mit Ihnen reden. Am besten sofort.«
Patterson war irritiert. »Bill Danzig? Wer?«
»Der Stabschef des Präs…«
»Ich weiß, wer Bill Danzig ist. Aber wer waren Sie noch gleich? Wo sind Sie?«
»Ich bin hier unten im Hotel. Ich arbeite für Mr. Danzig. Wenn Sie wollen, können Sie dort anrufen und sich erkundigen. Ich muss mit Ihnen reden.«
»Okay … Wollen Sie raufkommen, oder soll ich runterkommen?«
»Ich komm wohl besser rauf.«
An Pattersons Tür blinkte immer noch ein »Bitte nicht stören«-Licht. Jake klopfte einmal, dann noch einmal. Während er wartete, schob er seine Kappe gerade, dann sah er ein Auge im Spion. Die Tür war mit einer Kette verriegelt und öffnete sich nur ein kleines Stück. Patterson, immer noch im Schlafanzug, blickte heraus. »Haben Sie irgendeinen Ausweis dabei?«
Jake kramte seinen Ausweis vom Weißen Haus hervor. Patterson sah ihn sich einen Moment lang an, dann sagte er: »Lassen Sie mich nur die Kette lösen.« Die Tür schloss sich um einige Zentimeter, die Kette klirrte, dann ging die Tür ganz auf. »Sind Sie sicher, dass Sie mich meinen?«, fragte
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