Totenklage
Patterson. »Ich bin von der anderen Partei.«
»Doch, doch, ich will zu Ihnen.«
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Ich hab die Nachricht auf Ihrem Anrufbeantworter gehört und alle Hotels in Atlanta angerufen, in denen ein Parteifunktionär absteigen könnte.«
Darüber musste Patterson grinsen. »Okay. Kommen Sie rein. Ich war die ganze Nacht auf, bin erst gegen sechs Uhr morgens ins Bett gekommen. Geld beschaffen.« Er gähnte, rieb sich den Nacken und ging Jake voran in die kleine Suite. »Ich hatte schon befürchtet, die CIA hätte mir eine Wanze in die Zehennägel eingebaut oder so was Ähnliches. So wie Sie mich aufgespürt haben.«
Er war größer, als er auf dem Foto in der Zeitschrift ausgesehen hatte, und schwerer. Sein dunkelroter Schlafanzug in Übergröße war mit kleinen schwarz-weißen Pinguinen bedruckt. Er ließ sich in einen Sessel fallen und deutete auf das Sofa auf der anderen Seite des Couchtischs. »Worum geht’s?«, fragte er. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Sie wissen das mit Senator Bowe?«
»Natürlich. Das konnte man ja wohl schlecht nicht mitkriegen. Aber was hat das mit mir zu tun?« Doch Jake hatte den defensiven Ton in seiner Stimme herausgehört. Patterson ahnte, was kommen würde.
»Vor einiger Zeit haben Sie sich mit Barbara Packer im Watergate getroffen und sie gefragt, wann aus republikanischer Sicht der beste Zeitpunkt wäre, einen Skandal um den Vizepräsidenten zu lancieren. Stammte das Material dafür von Senator Bowe?«
Patterson starrte ihn einen Augenblick abschätzend an, dann sagte er: »Geben Sie mir eine Minute«, stand auf, ging ins Bad und schloss die Tür. Eine Minute später rauschte die Toilettenspülung, und nach einer weiteren Minute kam er, das Gesicht noch feucht von Wassertropfen, wieder aus dem Badezimmer
und setzte sich schwerfällig hin. »Ist das FBI auf dem Weg hierher?«, fragte er.
»Noch nicht, könnte aber passieren«, erwiderte Jake.
»Sie haben gesagt, Sie arbeiten für Danzig. Sind Sie ein Cop oder was?«
»Ich bin kein Cop. Rein technisch gesehen bin ich Research Consultant. Ich kann Ihnen allerdings sagen, dass das FBI auf Hochtouren an dem Fall arbeitet. Wenn ich glaube, dass Sie etwas wissen, das für die Ermittlungen im Fall Bowe relevant sein könnte, muss ich Sie denen überlassen. Früher oder später.«
Patterson betrachtete ihn einen Moment lang, dann sagte er: »Vielleicht sollte ich mir einen Anwalt nehmen und gleich mit dem FBI reden.«
»Das könnten Sie machen«, sagte Jake. »Das FBI ist allerdings nervös. Je mehr Druck die kriegen, umso eher finden die jemanden, den sie ins Gefängnis schicken können. Ich interessiere mich nur für die politischen Aspekte, nicht für die strafbaren.«
Nach weiterem Schweigen sagte Patterson: »Im Grunde ist das alles Politik.«
»Und welche Rolle spielte Bowe dabei? Hat er Ihnen diesen Skandal angedient?«
Patterson lehnte sich zurück. »Yeah. Mehr oder weniger.«
»Was soll das heißen?«, fragte Jake.
»Linc wusste von diesem Dossier. Ich weiß nicht, wer es jetzt hat, ich hab noch nicht mal alles gesehen. Es handelt sich um Papiere, E-Mails, Kontoauszüge, außerdem eine Videoaufnahme über den Bau eines vierspurigen Highways in Wisconsin. Highway fünfundsechzig. Der verläuft zwischen dem Ballungsgebiet St. Paul/Minneapolis und einem Ferienort im Norden. Der Staat und die Bundesregierung haben dreihundertfünfzig Millionen Dollar dafür ausgegeben. Wenn es stimmt,
was in dem Dossier steht, ist ein ganz schöner Batzen von dem Geld in die Taschen des Vizepräsidenten und seiner Freunde gewandert. Sieben, acht Millionen mindestens. Wahrscheinlich mehr.«
»Woher kamen die Dokumente?«, fragte Jake.
»Vom Bauunternehmer. Der Vertrag für die gesamte Bauleitung ging an eine Firma namens ITEM, und irgendwer bei ITEM hat offenbar die Mauschelei dokumentiert. Warum, weiß ich nicht. Wer das war, weiß ich auch nicht. Tatsache ist, es könnte sich um eine sehr geschickte Fälschung handeln, von so einem kleinen Internetarschloch, das durchgeknallt ist. Aber wenn es echt ist, und wenn es an die Öffentlichkeit gelangt, ist der Vizepräsident geliefert. Und der Präsident vielleicht mit ihm. Hängt alles vom Timing ab.«
»Das Timing.«
»Ja, das Timing. Denken Sie mal darüber nach«, sagte Patterson. »Wenn man das Dossier jetzt publik macht, wird es einen riesigen Stunk geben, und in einem Monat oder so ist der Vizepräsident weg vom Fenster. Alle versuchen, einen
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