Totenklage
wir es reproduzieren. Es erneut zusammenstellen. Doch dazu müssten Ermittlungen stattfinden, das würde durchsickern, und dann stünden wir im Regen.«
Danzig nickte. »Genau. Wenn ein Dossier existiert, brauchen wir es jetzt, und zwar komplett. Wenn kein Dossier existiert, müssen wir das wissen. Wir können keine langwierigen Ermittlungen gebrauchen, keinen Sonderankläger, keine Kontroversen. Wir brauchen keinen Skandal, der sich langsam zusammenbraut. Wir müssen die Sache entweder hinter uns bringen oder endgültig begraben.«
»Sie möchten also, dass ich mich weiter umsehe?«
»Jake, natürlich möchte ich, dass Sie sich weiter umsehen – aber ich will nichts damit zu tun haben«, erklärte Danzig. »Ich werde Gina morgen früh sagen, dass wir fertig sind. Sie soll zusammenrechnen, was wir Ihnen für die Beratung schulden. Ich möchte, dass Sie auf eigene Faust weitermachen, und wenn Sie das Dossier finden, möchte ich, dass Sie es übergeben.« Nach kurzem Schweigen fuhr Danzig fort: »Sie verstehen, was ich meine.«
»Sie möchten mich verleugnen können«, sagte Jake.
Danzig: »Sie haben mir das Wort aus dem Mund genommen. Ich will beides. Ich will Sie von der Gehaltsliste haben, damit nichts auf uns zurückfällt. Und ich möchte, dass Sie sich weiter umsehen, denn falls es etwas gibt, was wir brauchen, sollen Sie es finden und wir es bekommen. Wir und niemand anders. Und falls Sie bei irgendwas Unethischem oder Kriminellem erwischt werden, möchte ich, dass wir Sie den Wölfen zum Fraß vorwerfen können.«
Jake lächelte. »Danke, Boss.«
»Sie haben Ihre Unschuld doch längst verloren.«
»Ein gewisser Teil von mir noch nicht. Und ich möchte nicht, dass sich daran in einem Bundesgefängnis etwas ändert.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Danzig. »Aber glauben Sie mir, es gibt erhebliche Vorteile für Sie, wenn Sie es schaffen.«
»Was für Vorteile?«
»Was hätten Sie denn gern?«
Die Frage hing in der Luft. Jake starrte ihn an, dann sagte er: »Das meinen Sie ernst.«
»Absolut.«
»Ich könnte eine Menge wollen«, sagte Jake.
»Ich kann Ihnen keine Milliarde Dollar geben, aber ich kann Ihnen was Gutes besorgen.«
Jake dachte einen Augenblick nach, dann nickte er. »Sie erklären also meine Beratertätigkeit für beendet?«
»Mit dem heutigen Abend.«
»Soll ich mit Ihnen in Kontakt bleiben?«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie es haben«, sagte Danzig.
»Und wenn nicht?«
»Dann rufen Sie nicht an. Aber Sie werden es kriegen, Jake.«
Jake stand auf, stützte sich einen Moment auf seinen Stock, dann drehte er sich langsam im Büro um, betrachtete die Bronzefigur auf dem Sideboard, berührte den Kopf des Büffels, wandte sich wieder um und sagte: »Die ganze Geschichte, die Sache mit dem Dossier, begann mit einem anonymen Hinweis. Mitten in der Nacht ruft mich ein Typ an und sagt: ›Erkundigen Sie sich, worüber Packer und Patterson im Watergate gesprochen haben.‹ Also – wer war das, und was war sein Motiv? Da mischt noch jemand mit. Ich hab keine Ahnung, wer er ist. Ich weiß nicht, was er will.«
Danzig klopfte mit einem gelben Bleistift auf seinen Schreibtisch
und starrte Jake gedankenverloren an; schließlich seufzte er und sagte: »Scheiße, Jake, es mischt immer jemand mit. Was er will … er könnte alles Mögliche wollen. Vielleicht geht es ihm rein um das Vergnügen zu wissen, dass er Landers zu Fall gebracht hat. Vielleicht ist für ihn dadurch ein besserer Job drin. Vielleicht hofft er, dass ein Film über ihn gemacht wird, dann kann er nach Hollywood gehen und Brittany West bumsen.«
»Patterson meinte, dass Goodman davon profitieren, einen großen Schritt vorwärtskommen könnte«, sagte Jake.
Danzig riss die Augen weit auf. »Nun ja, wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Ich weiß allerdings, wie er dazu kommt, so etwas zu sagen. Gott steh uns bei.«
Jake ging zur Tür. »Bis bald.«
»Sie machen’s also?«
Jake lächelte. »Das wollen Sie doch gar nicht wissen.«
11
Jake kam um halb elf an Madisons Stadthaus an, zerrte seine Reisetasche aus dem Taxi, hängte sie sich über die Schulter, nahm den Aktenkoffer in die andere Hand und tappte mit seinem Stock den Gehweg entlang. Er hatte Madison aus dem Taxi angerufen. Als er die Hälfte des Wegs zurückgelegt hatte, ging das Licht unter dem Vordach an, und sie öffnete die Tür.
»Mrs. Bowe …«
»War’s schön im Weißen Haus?«
»Es ist selten schön im Weißen Haus, es sei denn,
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