Totenklage
handtellergroßer Blutfleck. Green lag ebenfalls auf dem Rücken, auch neben seinem Kopf war ein Fleck auf dem Teppich. Das Glas vor den Fotos an der Wand war mit Blut bespritzt.
Jake schaute sich einen Augenblick um, dann nahm er sein Handy und wählte. Novatny meldete sich. »Ja?«
»Chuck, hier ist Jake Winter. Wir haben ein Riesenproblem, Mann.« Er blickte auf das ausdruckslose, tote Gesicht der jungen Sekretärin. »Mein Gott, Chuck, wir haben, äh …«
»Jake, Jake …?«
Novatny wies ihn an, das Büro zu verlassen, im Flur zu warten und niemanden in das Büro zu lassen. »Ich schick in fünf Minuten jemanden vorbei. Ich weiß nur noch nicht, wen.«
Jake legte auf und ging Richtung Tür. Zögerte. Ging zu Green zurück. Langte hinunter unter sein Jackett, ungefähr dahin, wo sein Herz war. Fühlte das Handy. Schob seine Hand in die Innentasche, zog das Telefon heraus und steckte es in die Handytasche seines Aktenkoffers. Betrachtete einen Moment das Bürotelefon, dann zog er ein Kleenex aus der Box auf Greens Schreibtisch, nahm das Telefon und drückte die Wahlwiederholungstaste. Das Telefon wählte, und beim ersten Klingeln meldete sich eine Männerstimme. »Domino’s.« Da war nichts – es sei denn, Domino’s Pizzeria lieferte auch das Dossier aus.
Er legte auf, ging zur Tür und bemerkte den glasigen Blick der halb offenen, toten Augen der Sekretärin. Wut stieg in ihm auf, die gleiche Wut, die er in Afghanistan gespürt hatte, wenn er auf verstümmelte Zivilisten gestoßen war, von Rebellen getötet, die damit irgendeine obskure Aussage machen wollten. Die Sekretärin war fast noch ein Kind gewesen. Vermutlich wollte sie gern heiraten, freute sich auf ihr Leben. Das war nun alles vorbei. Alles dahin.
Seine Hände zitterten, als er sich abwandte und an ihr vorbei in den Flur ging.
Ein Agent von der FBI-Zweigstelle in Madison traf eine Minute vor den Madison-Cops ein.
14
Der FBI-Mann warf einen Blick in das Büro, trat zurück, zeigte mit dem Finger auf Jake und sagte: »Warten.«
Die ersten Polizisten gingen hinein, kamen rückwärts wieder heraus, schlossen die Tür des PollCats-Büros, stellten Jake an die Wand, durchsuchten ihn nach Waffen, lasen ihm seine Rechte vor und ließen ihn schließlich im Flur auf einem Stuhl Platz nehmen, den sie in einem der benutzten Büros ausgeliehen hatten.
Jake erklärte ihnen, dass er keinen Anwalt wünschte, aber ungestört mit Novatny telefonieren wollte und keine weitere Aussage machen würde. Der FBI-Mann verschwand eine Weile, dann kam er zurück und sagte: »Agent Novatny wird in drei Stunden hier sein. Er fliegt direkt von Washington hierher.«
Die Beamten von der Mordkommission Madison, die zehn Minuten nach den Streifenpolizisten eintrafen, waren stinksauer,
auch wenn der Chefermittler, dessen Name Martin Wirth war, zugestand, dass Jake wahrscheinlich nicht der Mörder war, da er das Verbrechen gemeldet hatte. »Aber er weiß irgendwas darüber, und das will ich wissen«, erklärte Wirth dem FBI-Mann. »Das ist meine Stadt, das ist meine Mordkommission, und das ganze Scheiß-FBI kann mich am Arsch lecken. Dieser Kerl geht nirgendwohin, bis ich es sage.«
Der FBI-Mann setzte seine Sonnenbrille auf, sah den Ermittler an und brummte vor sich hin.
»Woher haben Sie die Schnittwunde auf Ihrem Kopf?«, fragte Wirth Jake.
»Ich bin überfallen worden, in Washington.«
»Klar.«
»Ich hab eine Kopie des Polizeiberichts in meiner Aktentasche«, sagte Jake.
»Wissen Sie, diese Kerle hauen ab …«
»Hören Sie«, sagte Jake. »Ich weiß nichts, was Sie irgendwie weiterbringen könnte. Alles, was ich weiß, ist Hintergrundwissen. Ich hab nichts gesehen, was Sie nicht auch gesehen haben. Ich weiß nicht, wer das getan haben könnte.«
»Warum wollen Sie dann keine Aussage machen?«
»Ich kann Ihnen nicht sagen, warum ich keine Aussage machen will, denn dann wüssten Sie etwas, von dem ich nicht sicher bin, ob ich es Ihnen sagen sollte«, erwiderte Jake. »Okay?«
»Scheiße. Nein.«
»Ich werde eine Aussage vor Agent Novatny machen, und wenn Agent Novatny mir sagt, ich kann auch vor Ihnen aussagen, dann werde ich das tun. Wenn er mir allerdings sagt, dass ich aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht vor Ihnen aussagen darf, werde ich es nicht tun«, erklärte Jake. »Wahrscheinlich rette ich Ihnen damit das Leben. Denn wenn ich Ihnen sagen würde, was ich weiß, müsste vielleicht das FBI herkommen und Sie alle umbringen.«
»Sie sind
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