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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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dich.«
    » Ich dich auch. Pass auf dich auf.«
    Ich stelle mir vor, wie wir es auf dem Wohnzimmerboden treiben. Schnell und leidenschaftlich. Ohne viele Worte. Nicht zu sanft und ohne Bedenken. Sex mit Bissspuren. Ich frage mich, ob die normalen Menschen jemals solchen Sex haben. Ich jedenfalls noch nicht, nicht mal mit Ed Saunders.
    Wir verabschieden uns.
    Wenn ich könnte, würde ich jetzt ein Nickerchen halten, aber dafür ist mein Adrenalinspiegel zu hoch. Außerdem weiß ich nicht, wann Lev vorbeikommt. Das weiß man nie. Man weiß nur, dass es ziemlich spät wird. Lev ist nicht gerade ein Frühaufsteher.
    Ich schalte den Fernseher ein. Die Spätnachrichten sind gerade vorbei. BBC 2 zeigt einen Schwarzweißfilm, in dem es um Gewalt gegen Frauen geht. Ich sehe ohne Ton zu, habe aber nur Jayneys Blutergüsse vor Augen. Ich sollte mir so was überhaupt nicht angucken. Irgendwann nach Mitternacht döse ich weg, bis ich höre, wie ein Auto vorfährt und vor dem Haus hält. Ich sehe, wie Scheinwerfer ausgeschaltet werden, schnappe mir meine Tasche, überprüfe die Pistole und öffne die Tür.

33
    Lev.
    Er sieht so aus wie immer, also nicht nach viel. Alte Jeans, ein ausgewaschenes Sweatshirt, Turnschuhe. Er ist nicht besonders groß, knapp über eins siebzig, und auch nicht übermäßig breit. Er ist mager, aber muskulös, so wie man es von einem Seemann oder Bergsteiger erwarten würde. Er hat dunkles, immer eine Spur zu langes und stets ungekämmtes Haar. Dazu eine undefinierbare Hautfarbe, sodass er von überall her, von Spanien bis Kasachstan und darüber hinaus stammen könnte. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass er kein Spanier ist. Sein Alter ist genauso schwer zu bestimmen. Als ich ihn kennenlernte, dachte ich, dass er in meinem Alter wäre. Etwas älter vielleicht, aber nicht viel. Dann begriff ich anhand von ein, zwei Bemerkungen, die er über seine Vergangenheit fallen ließ, dass er erheblich älter sein könnte. Irgendwas zwischen dreißig und fast fünfzig. Genauer kann ich es beim besten Willen nicht sagen. Eine Sache, die einem an Lev sofort auffällt – oder, um genauer zu sein: die einem überhaupt nicht auffällt, über die man später aber unweigerlich nachdenkt –, ist seine Art, sich zu bewegen. Katzenhaft. So nennt man das wohl, obwohl ich mir vorstellen kann, dass der Erste, der dieses Klischee aller Klischees benutzt hat, nicht viel Zeit mit Katzen verbracht hat. Katzen lecken ständig an sich herum oder denken sich neue Möglichkeiten aus, um sich zu kratzen. So ist Lev nicht. Meistens bewegt er sich gar nicht. Doch diese Bewegungslosigkeit ist eine Art Schwebezustand, die jederzeit fließend in plötzliche Aktivität übergehen kann. Was bedeutet, dass in seiner Bewegungslosigkeit mehr Bewegung liegt als in den Bewegungen anderer Leute. Mehr Bewegung und mehr potenzielle Gewalt.
    » Hey, Fi«, sagt er. Er steht unter der Lampe im Flur und ist schon dabei, ins Wohnzimmer dahinter zu spähen.
    » Lev. Hi. Komm rein.«
    Wir geben uns keine Küsschen oder auch nur die Hand. Keine Ahnung, wieso. Irgendwie ist es ziemlich schwer zu bestimmen, welche gesellschaftlichen Normen in seiner Gegenwart gelten und welche nicht. Ich glaube, das weiß er auch nicht so genau.
    Schweigend lasse ich ihn durchs Haus tigern. Das ist bei seinen Besuchen so üblich. Er überprüft Türen und Fenster. Hält nach Verstecken und potenziellen Waffen Ausschau. Meine Küche geht in eine Art Wintergarten über, was bedeutet, dass eine große Glasfläche direkt auf die Dunkelheit dahinter gerichtet ist. Lev sucht so lange herum, bis er den Schalter für die Sicherheitsbeleuchtung findet, die den Garten in 150 Watt starkes Halogenlicht taucht. Er lässt die Lampe brennen.
    Dann ist er zufrieden, nimmt sich einen Stuhl, setzt sich und fängt an, mich zu inspizieren.
    » Was gibt’s?«
    » Nicht viel. Ich wollte dich nur mal wiedersehen.«
    » Klar.«
    » Kann ich dir was anbieten? Tee? Kaffee? Alkohol?«
    » Baust du noch an?«
    » Ja.«
    » Dann keinen Tee, Kaffee oder Alkohol.«
    Ich lache, stehe auf und hole die Schlüssel. Ich öffne die Fenstertür zum Garten, und wir gehen nach draußen. Sofort inspiziert er die Umgebung und späht über den Zaun, während ich mich mit dem Vorhängeschloss am Schuppen abmühe.
    Im Schuppen sind nicht allzu viele Werkzeuge, weil ich keine große Gärtnerin bin. Ein Rasenmäher und eine Hacke, und die Hacke habe ich noch nie benutzt. Dann wäre da noch die Bank mit den UV

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