Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
Vom Netzwerk:
geweint – und mir ist erst ein paar Tage später aufgefallen, dass ich eigentlich hätte weinen oder zumindest irgendetwas hätte spüren sollen.
    Während Amanda weint, denke ich über all dies nach. » Ist schon gut«, wiederhole ich wie eine Aufziehpuppe. Ich wünschte, ich könnte selbst irgendwann ein paar Tränen vergießen.
    Dann beruhigt sie sich wieder.
    » Amanda, würden Sie gerne zur Beerdigung kommen? Wir wissen noch nicht genau, wann sie stattfindet, aber ich könnte Ihnen Bescheid geben.«
    Nun fängt sie wieder an zu weinen, bringt aber zumindest ein » Ja, ja, bitte. Irgendjemand sollte hingehen« heraus.
    » Ich werde hingehen«, sage ich. » Ich werde auf jeden Fall hingehen.«
    Dann lege ich auf und bin etwas verwirrt. Ich gehe also zur Beerdigung? Das ist mir neu. Doch irgendwie will ich auch tatsächlich daran teilnehmen. Andererseits klingt mir noch immer DCI Jacksons Tirade in den Ohren. War das jetzt gerade die gute DC Griffiths, die mit der brillanten Verhörtechnik? Oder war das ein Beispiel für die schlechte, die nur eine Fingernagelbreite davon entfernt ist, einen weiteren Beschwerdeanruf beim Chef zu provozieren? Keine Ahnung, ist mir im Augenblick aber auch egal.
    Mir schwirren zu viele Dinge im Kopf herum, die ich nicht so recht einsortieren kann. Das Rennpferd, an dem Penry beteiligt war, hat noch fünf weitere Besitzer. Vier Privatpersonen und eine Offshore-Firma, deren Eigentümer nicht öffentlich einzusehen ist. Zumindest hat die Firma zwei Geschäftsführer – D. G. Mindell und T. B. Ferrers – sowie eine Sekretärin namens Mrs Elizabeth Wilkins, die früher mal Geschäftsführer beziehungsweise Assistentin bei einer von Brendan Rattigans Reedereien waren. Einer der Privateigentümer des Rennpferds war ehemals leitender Angestellter in Rattigans Stahlfirma. Ein weiterer Eigentümer ist der Patenonkel von Rattigans Kindern, was ich durch eine Google-Suche erfahre, die mich auf verschiedene Klatschmagazinseiten führt. Ich konnte keine Verbindung zwischen den anderen beiden Eigentümern und Rattigan finden, was jedoch nicht heißt, dass es sie nicht gibt.
    Außerdem verraten mir die Verbindungen, die ich aufgedeckt habe, schon mehr als genug. Eine Offshore-Firma, die höchstwahrscheinlich Rattigan gehört, besitzt einen Anteil an einem Rennpferd. Genau wie einer seiner ehemaligen Geschäftsführer und einer seiner ältesten Freunde.
    Und Brian Penry.
    Vielleicht ist das nur Zufall. Vielleicht hat Penry nichts mit Rattigan zu tun und ist nur eingestiegen, weil sie noch einen weiteren Mann brauchten.
    Vielleicht aber auch nicht. Penry hat für diesen Schwachsinn 40 000 Pfund mehr ausgegeben, als er der Schule gestohlen oder auf legale Weise verdient hat. Natürlich wäre es möglich, dass Penry seine Polizeirente irgendwie zu Geld gemacht hat, um seine Ausgaben zu decken, aber wer, um Himmels willen, würde wohl eine Polizeirente beleihen? Und warum?
    Warum, warum, warum?
    Da ist es doch viel wahrscheinlicher, dass Penry eine weitere Geldquelle aufgetan hat, und wenn dem so ist, wäre es dann nicht möglich, dass Rattigan diese Quelle war? Und wenn Rattigan was mit Mancini hatte, könnte das nicht darauf hindeuten, dass es auch zwischen Penry und den Morden eine Verbindung gibt?
    Wenn, wenn, wenn.
    Es ist fünf Uhr.
    Da ich mit Mancinis Sozialamtsakte immer noch nicht weitergekommen bin, beschließe ich, sie mit nach Hause zu nehmen. Allerdings rutsche ich kleine Streberin dadurch in einen Gewissenskonflikt. Die Akten sind vertraulich, und vertrauliche Daten dürfen das Büro nicht verlassen, auch nicht auf einem Laptop. Diese Regel wird jedoch so gut wie ständig gebrochen, außerdem muss ich etwas früher gehen. Heute stehen eigentlich noch Fitnessstudio, Bügeln und Putzen auf dem Programm, obwohl ich jetzt schon weiß, dass ich nichts davon auch tatsächlich tun werde.
    Bevor ich mich verabschiede, brauche ich noch etwas menschlichen Kontakt. Daher sehe ich mich um und erspähe Jane Alexander, die gerade von der Personenbefragung zurückkommt. Offen gestanden macht mir Jane ein bisschen Angst. Sie gehört zu denjenigen Frauen, deren Kleidung immer stilsicher und modisch, gleichzeitig aber auch erschwinglich und vernünftig ist, sehr professionell wirkt und gleichzeitig den Blick dezent auf ihre fitnessstudiogestählte Figur lenkt. Zudem ist ihr Haar immer perfekt frisiert. Sie hat niemals irgendwo Essensflecken. Sie bringt niemals hilfsbereite Zeugen ohne Grund zum Weinen,

Weitere Kostenlose Bücher