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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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und ich wette, dass sie schon seit Jahren keine Kniescheibe mehr zertrümmert hat. Ich glaube nicht, dass sie mich überhaupt nicht leiden kann, aber so richtig gern hat sie mich wohl auch nicht. Außerdem bin ich immer zu fünf Prozent verängstigt, wenn sie in der Nähe ist.
    Nichtsdestotrotz scheint Jane freudig überrascht, als sie mich sieht. Sie jammert über den harten Tag, den sie bereits hinter sich hat, und dass sie noch ihre Befragungsnotizen in Groove eingeben muss. Da ich schneller tippen kann als sie, biete ich ihr an, das für eine Tasse Tee zu übernehmen. Sie schlägt ein und holt Tee, während ich drauflostippe. Sie setzt sich auf den Schreibtisch und hilft mir, wenn ich ihre Handschrift nicht lesen kann, und dazwischen plaudern wir oder schweigen oder senken die Stimme, wenn ein männlicher Kollege vorbeischlendert. Eigentlich ein schöner Zeitvertreib.
    » Das ist alles ziemlich dünn, oder?«, frage ich nach dem Ende der Tipporgie.
    Einen Augenblick lang denkt Jane, ich würde ihre Notizen kritisieren, und ich beeile mich, das richtigzustellen. Natürlich meine ich nicht ihre Notizen, sondern dass wir trotz der vielen Arbeit kaum verwertbare Spuren haben.
    » Ach, die Rechtsmedizin wird schon irgendwas finden. Oder die Kameras. Noch ein paar Vernehmungen, dann wird schon irgendwas rumkommen. So ist das immer.«
    Janes Aufmerksamkeit wendet sich von mir ab und ihr selbst zu. Sie zieht sich ihre Jacke über und schleudert ihr Haar mit einer Shampoowerbungsgeste aus dem Kragen. Ein kurzer Blick, ob auch jede Falte ihrer Kleidung ordnungsgemäß sitzt. Handtasche, Handy, Geldbeutel? Alles da. Raumschiff Alexander ist bereit zum Abflug.
    » Bis morgen«, sage ich und habe schon wieder Angst vor ihr.
    Sie schenkt mir ein nettes, breites Lächeln, breiter als vorgeschrieben, obwohl sie dabei sehr gerade weiße Zähne zeigt, die perfekt mit der sorgsam gewählten Lippenstiftfarbe harmonieren.
    » Ja, bis morgen. Vielen Dank, Fi. Ich hätte hier noch eine Ewigkeit gesessen.«
    » Gerne.«
    Habe ich auch wirklich gerne gemacht. Sie düst nach Hause, wo immer das sein mag. Sie hat einen Mann und einen kleinen Sohn. Ich habe weder das eine noch das andere, daher gehe ich zurück zu meinem Schreibtisch und suche meinen Kram zusammen. Der Computer läuft noch. Auf Brendan Rattigans Platinum-Kreditkarte spiegeln sich die letzten Strahlen der Abendsonne.
    Janet Mancini hatte vor irgendetwas so große Angst, dass sie mit ihrer Tochter in dieses Haus des Todes floh.
    Brendan Rattigan hatte harten Sex mit Prostituierten. Das hat mir seine Frau zwar nicht wörtlich, aber mit allen ihr sonst zur Verfügung stehenden Mitteln bestätigt.
    Brendan Rattigan starb bei einem Flugzeugunfall, doch seine Leiche wurde nie gefunden.
    Seine Kreditkarte wurde als verloren gemeldet, und Janet Mancini hatte sie.
    Brian Penry hat von dem unterschlagenen Geld ein Rennpferd gekauft, und wie es scheint, war Brendan Rattigan sein Teilhaber.
    Fünf verschiedene Gedanken, die durch meinen Kopf schwirren wie Fliegen in einem Marmeladenglas. Dass sich diese Gedanken sonst niemand zu machen scheint, lässt die Fliegen nur noch lauter summen.
    Ich google ein bisschen herum und suche ein paar Fotografen heraus, die öfter die Rennpferde in Chepstow fotografieren. Außerdem einen, der auf der Ffos-Las-Rennbahn in Carmarthenshire arbeitet, und zwei weitere, die in Bath aktiv sind. Ich rufe alle durch und hinterlasse Nachrichten auf vier Anrufbeantwortern. Einen erwische ich persönlich – Al Bettinson, der in Chepstow fotografiert – und vereinbare für den morgigen Tag einen Termin.
    Nicht, dass ich mir große Hoffnungen mache, aber wenn es gut läuft, könnte ich zumindest eine der Fliegen erschlagen. Jeder Flugzeugunfall in Großbritannien wird von der Air Accidents Investigation Branch ( AAIB ) untersucht, einer Unterabteilung der Verkehrsbehörde – egal, wie klein das Flugzeug oder wie unbedeutend der Vorfall auch ist. Da alle AAIB -Berichte online einzusehen sind, drucke ich mir den entsprechenden aus und stopfe die Seiten zu meinem Laptop, den Fotos und ein paar Akten in meine Tasche.
    Ein langer Tag.
    Und er ist noch nicht zu Ende.

9
    Zu Hause. Blauer Himmel und goldenes Licht.
    Ich wohne in einem Neubau in Pentwyn. Eine moderne Doppelhaushälfte in einem Viertel, das nur aus modernen Doppelhaushälften besteht. Jedes Haus hat seine eigene gepflasterte Einfahrt, seine eigene Garage und einen eigenen kleinen, umzäunten Garten

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