Totenklage
ist erst der Fall, wenn die geschätzten Herrschaften vom Crown Prosecution Service DCI Matthews mitteilen, dass sie sich mit der ganzen Sache pudelwohl fühlen, und das ist wiederum erst möglich, wenn die Rechnungsstelle einen Bericht mit allen für den CPS nötigen Informationen schreibt.
» Es geht hier um 40 000 Pfund. Die Ausgaben übersteigen die Einnahmen um 40 000 Pfund, selbst wenn wir das Geld hinzurechnen, das er nachweislich unterschlagen hat.«
» Richtig. 43 754 Pfund«, sagt der ältere Buchhalter. Er liest den genauen Betrag vor, als wäre ich nicht in der Lage, ihn selbst zu entziffern. » Das ist natürlich nur ein Schätzwert. Für die meisten Ausgaben haben wir keine Belege.«
Ich starre ihn an. Keine Belege? Himmel noch mal, der Mann hat das Geld veruntreut. Wo sollen denn da Belege herkommen? Das sage ich natürlich nicht, sondern: » Was glauben Sie, wann können Sie mir den Bericht schicken?«
» Nun, ich glaube, wir hatten die zweite Juniwoche vereinbart. Karen …?«
Seine jüngere Komplizin hat tatsächlich einen Namen. Und jetzt auch ein Ziel vor Augen. Sie soll ein präzises Abgabedatum finden. Jedwede terminliche Unsicherheit eliminieren. Sie taucht tief in ihre Akten, um ihre Mission zu erfüllen.
Ich unterbreche sie.
» Tut mir leid, aber das haut nicht hin. Wir haben hier einen Fehlbetrag von 40 000 Pfund, den wir uns nicht erklären können. Da brauchen wir den Bericht sofort. Kann auch nur ein Entwurf sein.«
Wir feilschen eine Weile, aber ich bleibe hart. Ich tue so, als wäre es ihre Schuld, dass vierzigtausend fehlen. Was natürlich nicht stimmt. Ich tue so, als wäre DCI Matthews stinksauer. Was er natürlich nicht ist. Und um meinen Argumenten noch mehr Gewicht zu verleihen – und um die Komplizin in den Wahnsinn zu treiben –, schiebe ich die Akten vor mir wild hin und her, bis nirgendwo mehr ein rechter Winkel oder eine ordentliche Reihe zu sehen ist. Sie wird schon ganz nervös.
Schließlich gehe ich als Siegerin hervor. Sie werden dem CPS bis Ende der Woche einen vorläufigen Bericht und die endgültige Fassung dann im Juni schicken. Ich versuche nach Kräften, meine Freude zu verbergen. Um diesen Triumph gebührend zu feiern, begleite ich die Buchhalter aus dem Gebäude und schüttle die Hand der Komplizin sehr ernst und drei Sekunden länger als angemessen. » Haben Sie vielen Dank für Ihre Hilfe«, sage ich und sehe ihr in die Augen. » Vielen, vielen herzlichen Dank.« Während sie ihre Hand zurückzieht, drücke ich kurz ihren Oberarm und werfe ihr ein so vertrauliches Lächeln zu, dass sie fast aus der Tür gerannt wäre.
Danach kümmere ich mich wieder ums Tagesgeschäft. Von uns Ermittlern wird Eigeninitiative erwartet, aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ein Übermaß davon nicht besonders gut ankommt und es DCI Jackson gefallen würde, wenn ich viel weniger als bisher davon zur Schau stelle. Andererseits hat DCI Jackson erheblich weniger Zeit mit den Stutbüchern verbracht als ich, und Spur bleibt Spur.
Ich vereinbare einen Termin mit dem CPS und biete an, zu ihnen rüberzufahren. Dann lasse ich Matthews wissen, was ich vorhabe, und sage Ken Hughes (da Jackson nicht im Büro ist), dass sich jemand anderes um die Lohan betreffenden Anrufe kümmern muss.
Schließlich suche ich meine Unterlagen zusammen, steige ins Auto, fahre aus dem Parkplatz und rufe den CPS an. Mir ist etwas dazwischengekommen, ob wir den Termin nicht verschieben könnten? Wir verschieben den Termin auf vier Uhr nachmittags. Jetzt habe ich sechs Stunden zur freien Verfügung.
Ich fahre so schnell es die Überwachungskameras erlauben rüber nach Chepstow. Eine walisische Stadt mit englischer Atmosphäre. Hoch über dem Fluss hat Edward I. ein Schloss hingeklotzt, um uns ständig daran zu erinnern, wie die Dinge liegen. Herrscher und Beherrschte. Die beschissenen Engländer und die angeschissenen Waliser.
Bettinsons Haus ist ein Backsteinbau aus den Siebzigern mit Schiebetüren und braunem Teppich. Nehme ich wenigstens an – ich betrete es ja nicht, da sich sein Büro in der Garage befindet. Hier gibt es kein natürliches Licht, nur Halogenlampen an der Decke und auf dem Schreibtisch, auf dem zwei Computer und ein Laptop stehen. Ein Drucker. Fotoausrüstung und Scheinwerfer stapeln sich in einer Ecke.
Bettinson hat den typischen Fotografen-Look. Wie ein plötzlich mit Bartstoppeln, einem Mordskater und absoluter Freiheit von jeglichem weiblichen Einfluss gesegneter
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