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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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passiert ist, aber ich würde sagen, dass er mausetot ist. Ist zumindest meine Meinung.«
    Wir verabschieden uns. Ich lege auf. Komischerweise traue ich Penry wirklich. Vielleicht, weil er früher ebenfalls Polizist war und Polizisten eben zusammenhalten, komme was wolle. Oder weil er mich geschlagen hat. Als hätte das unser Verhältnis irgendwie entspannt.
    Wenn der Brief tatsächlich von Huw Fletcher stammt und Fletcher ein ungefährlicher Idiot ist, der sowieso bald das Zeitliche segnet, dann brauche ich mir keine großen Sorgen zu machen. Andererseits weiß ich nicht, ob ich mich nun » rausgehalten« habe oder nicht und woraus überhaupt? Wenn der angeblich verstorbene Brendan Rattigan die eigentliche Gefahr darstellt, dann ist Fletcher womöglich nicht die einzige Bedrohung für mich. Man denke nur an die vielen Anrufe und SMS an die Leute aus Penrys Adressliste. Oder dass ich Ioana Balcescu mit der Erwähnung von Brendan Rattigans Namen zu Tode erschreckt habe. Wer weiß, auf welchen verschlungenen Wegen die Kunde über meine Ermittlungen an die Ohren derjenigen Leute gelangt, die mich als potenzielle Kandidatin für eine tüchtige Abreibung oder noch Schlimmeres im Auge haben?
    Das ist kein angenehmer Gedanke. Wenn diese Leute mir antun, was sie Ioana angetan haben, würde ich das nicht überleben. Dann wäre ich wieder da, wo ich als Teenager war. So gut wie tot.
    Die Alpträume, die so oft meine Nächte heimgesucht haben, schleichen sich jetzt auch in meine wachen Stunden. Gegen manche Bedrohungen reicht ein Schälmesser in einer Handtasche einfach nicht aus.
    Ohne groß drüber nachzudenken, verlasse ich das Haus. Als ich in den Wagen steige, fällt mir ein, dass ich ja immer noch aufgebrezelt bin, Pfennigabsätze und alles. Der gesunde Menschenverstand würde jetzt vorschlagen, zurück ins Haus zu gehen und sich umzuziehen. Doch ich habe immer einen Fleecepulli und Wanderstiefel im Kofferraum, und außerdem hab ich’s eilig.
    Die Straßen sind leer. Normalerweise würde ich nun ordentlich Gas geben, aber angesichts meines Vorhabens bleibe ich ein braves Mädchen und halte mich mehr oder weniger an das Tempolimit. Ich fahre nach Pontypridd, dann nach Treharris und Merthyr, von dort aus auf die A465 Richtung Ebbw Vale. Die gespenstischen Umrisse der alten Kohleminen ziehen an mir vorbei.
    Dann biege ich Richtung Llangynidr ab. Der Nationalpark. Hier ist es nicht besonders hügelig, eher Sumpfland. Statt der Geister von Bergleuten lauern weiß leuchtende Schafe zwischen den Grasbüscheln. Ich bleibe stehen, um auf die Landkarte zu sehen, und höre den Wind, der durchs Gebüsch pfeift. Keine Autos. Keine Häuser. Keine Menschen. Hier gab es mal Steinbrüche, allerdings weiß ich nicht genau, wo oder ob sie noch in Betrieb sind.
    Als ich nach Llangattock abbiege, beschleicht mich plötzlich die Angst, dass ich die Scheune nicht finde. Ich habe nur eine ungefähre Wegbeschreibung. Es ist stockfinster. Das Navi hilft mir auch nicht weiter. Aber dann erreiche ich den Hügel. Die Straße wird etwas breiter, ein kleiner Feldweg geht davon ab, und in ein paar hundert Metern Entfernung erkenne ich eine große weiße Scheune, über deren Tor ein Licht brennt. Genau wie es Aled beschrieben hat. Im schwachen Schein der Lampe kann ich einen asphaltierten Parkplatz davor erkennen, auf dem mehrere Landmaschinen stehen.
    Der Feldweg ist mit einem Gitter abgesperrt. Es ist mir sowieso lieber, die Strecke zu Fuß zurückzulegen. Ich tausche die niedlichen Satinschühchen gegen die Wanderstiefel aus und ziehe den Fleecepulli über das Kleid. Weil ich jetzt etwas höher und nicht mehr in der Stadt bin, ist es auch kälter geworden. Der Himmel ist leicht bewölkt. Aus den dunklen, wolkenlosen Flecken leuchten die Sterne. In der Entfernung sind die orangefarbenen Lichter von Crickhowell und Abergavenny zu erkennen. Dahinter ragen die Black Mountains bedrohlich und finster auf.
    Ich habe Angst, aber es ist eine gute Angst. Eine Angst, die zur Handlung anspornt und mich nicht vor meiner Tür zusammenbrechen und mein Abendessen hochwürgen lässt. Mein Verstand ist klar und auf ein Ziel ausgerichtet.
    Ich gehe auf die Scheune zu. Die Handtasche mit dem Messer habe ich im Auto gelassen, da sie mir hier etwas unpassend vorkommt. Inzwischen gefällt es mir fast, so ungeschützt zu sein.
    Plötzlich höre ich Schritte. Sofort schießt das Adrenalin durch meinen Körper, aber es sind nur Schafe. Ich erkenne ihre runden, dummen,

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