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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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Ja, ja, reg dich ab. Das haben schon andere erfolglos versucht. Du bist nicht der erste, der sehen kann, wo er bleibt, denke ich und schweige. Zwischenzeitlich hat die weitsichtige Susanne das Schild unterm Laster geborgen und in den Schuppen gestellt. Ein Blick in die rotgeäderten Augen des Brummifahrers lässt mich sagen:
    »Wenn Sie wollen, können wir gleich die Polizei anrufen, die Ihre Anzeige aufnehmen wird.« Der Trucker guckt verwirrt und jetzt ist es an ihm zu schweigen. Achtzehn Stunden Lenkzeit ohne Pause, zischeln mühsam blinzelnd seine schweren Lider mir zu. Ich schiebe dem Kerl das EC-Karten-Gerät hin, er zahlt, geht und fährt.

10
    Große Gefühlsausbrüche sind Rudis Sache nicht. Mit allem, seinem Geld, seinen Worten und Gesten geht er sparsam um, desto mehr wundert es mich, dass er es ist, der mit einem beinahe frühlingsfrischen Schwung die Tür zur Tanke aufstößt. In seinen Augen das Leuchten eines Jungen, der seine erste Carrerabahn ausgepackt hat. Mit einer ausladenden Geste weist er zum Fenster hinaus. Mit offenem Mund folgt mein Blick seinem Arm und fällt auf einen alten Mercedes-Leichenwagen in Pink.
    »Ein Schnapp! Sogar einen Satz Reifen hab ich dem Typen rausgeleiert. Von innen ist der noch original. Klar, eine neue Lackierung muss wohl. Wo ist Schrauberklaus?« Euphorisch rennt Rudi raus, um ihn zu suchen. Ich ruf ihm hinterher:
    »Eben war er noch da!«
    Wir wollten doch den Bauwagen holen.
    »Ha«, steckt Rudi den Kopf durch die Tür, »ob wir den Bauwagen mit dem Teil da draußen abholen sollten? Der hat sogar eine relativ neue Anhängerkupplung und wir könnten das gleich mal mit der Leiche testen. Irgendwo im Schuppen müsste ich noch eine sargähnliche Kiste haben …«
    In seiner Hochstimmung muss er vergessen haben, dass man den Bauwagen nicht an eine übliche Kupplung hängen kann. Doch wer bin ich, ihn jetzt zurückzuhalten? Das ist Susannes Job. Mir reicht es im Moment, polizeilich gesucht zu werden, von Willst-n-paar-aufs-Maul-Mario.
     
    Susanne hat ihren Gattendrosseln-Job gemacht und wir fahren mit dem Unimog zum Landeskroner, um den Bauwagen abzuholen. So viel wie auf dieser zwanzigminütigen Fahrt hat Rudi mit mir noch nie zusammenhängend gesprochen. Er bildet richtig lange Sätze mit mehreren Aufzählungen darin, die sich allesamt auf seine neue Berufung der letzten Fahrt seiner zukünftigen Kundschaft beziehen.
    »Wenn ich bei dem Wort ›Kundschaft‹ einhaken darf«, gelingt es mir endlich meine Frage einzuflechten, die mich schon seit einiger Zeit umtreibt, »haben die vom Funk eben von einer oder einem Toten gesprochen?«
    »Leichenfund«, kommt die knappe Auskunft, wonach er weiter philosophiert über diverse Abgänge. Kurz vor der Abzweigung rechts in den Wald zum Weiher triumphiert er zum Ende seiner Ausführungen:
    »Und weißt du, was das beste ist? Die können nicht mehr meckern. Nicht wie beim Taxifahren, wo dir die Kundschaft schlimmstenfalls in die Türablage kotzt, nehehehe, ganz still kommen die dann da hinten zum Liegen. Die Federung von dem Mercedes ist noch eins a.« Die des Unimogs auch. Das Fahren über Wurzel, Stock und Stein fühlt sich an wie eine Floßfahrt übern Rhein im Kielwasser eines Steinkohlekahns. In Wogen wird man hin und her geschaukelt, in unserem Fall bis zum Polizeiabsperrband, das uns vom Ziel trennt. In Sichtweite ist unser Bauwagen, der gerade von allen Seiten gemustert wird. Doch zum Glück nicht von der CSI New York Crew, sondern von Willst-n-paar-aufs-Maul-Mario. Der amtliche Blindgänger hat das Gebiss unter dem Wagen zum Glück noch nicht gesichtet, bemerke ich, nachdem wir ausgestiegen sind, uns nicht weiter um das Band gekümmert haben und nun vor dem Wagen stehen. Das Reden werde ich Rudi überlassen, denn der kann für gewöhnlich gut mit dem Sheriff schweigen. Hin und wieder durfte ich in der Vergangenheit Zeuge von ihrer Art Konversation werden, wenn Rudi Hilfe beim Abschleppen eines Unfallwagens brauchte und Mario der zuständige Polizeibeamte war. Mit ›No‹, ›Nodda‹ und den Anweisungen: ›Den he un den do, betnäeme‹, übersetzt heißt das soviel wie: den hier und den dort bitte mitnehmen, was sich auf die Unfallfahrzeuge bezieht. Bin gespannt, wie die beiden den vorliegenden komplexeren Fall kommunikativ lösen werden. Das Begrüßungs-No wurde bereits gewechselt.
    »Wat es da he los?«, fragt Rudi, womit er wissen will, was hier los ist. Zu meiner und Rudis Überraschung zeigt Mario sich

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