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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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plötzlich behördlich, versucht seinen Dialekt zu kontrollieren und fragt beamtisch:
    »Sie sind doch der Halter des Bauwagens?«, Rudi nickt.
    »Wo waren Sie in den vergangenen zehn Stunden?«
    Rudi stöhnt und gibt an, dass er doch mit ihm, Mario, in der Tanke gewesen sei, bevor er, Mario, zu einem Einsatz gerufen worden ist und sie gemeinsam einen Polenlaster aus dem Verkehr gezogen hätten, dabei gibt Rudi seine ›mit alten Bekannten rede ich immer platt‹-Richtlinie nicht auf und Mario nickt, ein wenig aus dem Konzept gebracht, das er sich zuvor polizeilich korrekt zurechtgelegt hat. Der Kopf auf seinem speckigen Nacken dreht sich nun zu mir.
    »Wie uns bekannt ist, bewohnen Sie den Wagen derzeit, Herr Himmel. Waren Sie in der vergangenen Nacht auch hier?« Ich nicke.
    »Ist Ihnen etwas Verdächtiges aufgefallen?« Ich schüttle mit dem Kopf.
    Beim Schütteln fällt mein Blick in Bruchteilen auf einen Zinksarg hinter dem Wagen, worin eine tote Person platziert worden ist. Der Leichnam liegt in einem Plastiksack. Jetzt kommen zwei weitere Polizisten aus dem Unterholz. Sie tragen eine Decke bei sich. Meine Decke, um genau zu sein. Rudi erkennt sie auch, sagt aber nichts.
    »Haben Sie irgendjemanden gesehen in der vergangenen Nacht?«
    Ich entscheide mich, wieder mit dem Kopf zu schütteln, genauer gesagt, hat sich mein Kopf dazu entschieden. Willentlich tue ich mich schwer mit den Halbwahrheiten. Nenne es ruhig Lüge, flüstert der Advokat in meinem Kopf. Na ja, immerhin habe ich nicht irgendjemanden gesehen, sondern mit einem interessanten Clown am Feuer gesessen.
     
    Den Bauwagen könnten wir nicht haben, der müsse noch untersucht werden, gibt uns Mario Auskunft. Jetzt setzt Rudis Geschäftssinn wieder ein, der ihn anbieten lässt, der Freund-und-Helfer-Polizei einen Gefallen tun zu wollen und den schweren Wagen zum abgeriegelten Parkplatz zu bringen. Er habe die leistungsstärkere Zugmaschine. Eigentlich dürfe er ja niemanden dorthin lassen, der Tote sei unter merkwürdigen Umständen gefunden worden, raunt der Sheriff, doch er hätte sowieso einen Abschleppdienst beauftragen müssen. Es dürfe nur nicht an die große Glocke gehängt werden, bei dem Wort ›gehängt‹ räuspert er sich, dass eventuell Tatverdächtige, jetzt schaut er betont eindringlich zu mir, mit einem Beweismittel nach dessen Sicherstellung in Kontakt gekommen seien. Wir sollten ja nichts anfassen. Unsere Fingerabdrücke befinden sich eh überall und man erkläre mir mal, wie man einen Bauwagen an die Hängerkupplung andocken soll, ohne etwas anzufassen, denke ich. Dabei bin ich fast so etwas wie erleichtert, da es sich um eine männliche Leiche handeln soll. Vielleicht der Clown?
    Irgendeine innere Stimme sagt mir, ich soll die obere Zahnreihe des Alten, die auf dem Bremsstein liegt, unbeobachtet an mich nehmen. Nimm du sie, bevor es dieser wichtigtuerische Armleuchter macht und dir dann einen Strick draus dreht, flüstert Kalle Meisterdetektiv Blomquist. Da ist er ja wieder, mein treuer Begleiter in aberwitzigen Situationen, die eine gewisse Abgebrühtheit und eine adäquate Portion an krimineller Energie erfordern. Von allen Seiten unbemerkt lasse ich die Zähne in meiner Hosentasche verschwinden. Hier die Mundharmonika, dort das Gebiss.
     
    »Hast du alles im Wagen gesichert?«, will Rudi wissen.
    »Wie sollte ich? Konnte ja nicht ahnen, dass mein Trip ins Grüne solch ein schnelles Ende findet.« Rudi flucht ob der Aussicht, dass bei der Überführung im Wagen alles herumfliegen wird und dabei Schaden entstehen könnte, der sein Geld kostet.
    »Ich steh Schmiere«, sagt er nur, was als Aufforderung für mich gedacht ist, reinzugehen und alles transportsicher zu verstauen. Dass ich noch mal in meine Behausung gehen soll, kommt mir ganz gelegen. Ich brauch nämlich saubere Wäsche und mein Sozialversicherungsgedöns. Mit wenigen Handgriffen habe ich alles, was lose ist, festgezurrt. Jetzt noch meinen Krempel in eine Tüte packen und schnell wieder raus.
    »Psst«, zischt es von draußen.
    »Wo is da dr Heini?«, grunzt Mümmel, der sein Platt wiedergefunden hat und Rudi das wissen lässt. Heini! Oh, wie ich das hasse! Aggressionen aus jahrelanger Hänselei schnüren mir fast die Kehle zu und lassen meine Augen hervortreten. Ich meine, schon den schlaksigen, tratschigen Postboten aus Uhlenbusch zu sehen und die Kinder das Lied singen zu hören: ›Auweia, auweia, der Hahn legt keine Eier …‹ Meine lieben Mitschüler damals haben

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