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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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dass mein Sprit so knapp kalkuliert ist. Wenden geht noch nicht. Raus aus dem Tunnel, nächste Ampelkreuzung nutzen, um zu wenden. Jetzt stehe ich hier bei rot als Linksabbieger, der ich eigentlich gar nicht sein will. Warten. Und los. Beim Fressnapf wenden und wieder vor der Ampel stehen. Rechtsabbieger.
    Dritter Anlauf, die Sieg- und Hellerstadt zu nehmen. Jetzt will ich aber nicht wieder in den Tunnel, also Obacht! Einfach rechts halten, das wird wohl möglich sein, mosert in Gedanken mein unfreundlicher Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz. Der muss mir jetzt gerade einfallen, habe ich doch in dieser Stadt meine Prüfung zur Fahrerlaubnis gemacht. Geschafft. Ich fahre über die Brücke und sehe schon das vergammelnde Gebäude der einstigen Einkaufsgelegenheit mit der ersten Rolltreppe im Kreisgebiet von Altenkirchen. Wenn ich mich recht entsinne, gibt es einen Parkplatz hinter der Bausünde mit Asbestplatten. Richtig. Da ist auch schon die Abbiegung durch den Klosterhof.
    Wagen steht, Atem steht, Zeit auch. Mir ist, als wäre ich gestern erst hier gewesen. Heiner im Dauerkreisel.
     
    Ich schlendere zum Haupteingang des ehemaligen Kaufhauses, hinter dessen Scheiben eine Ausstellung alter Motorräder und Zirkus-Plakate prangt. Genau wie es der Zeitungsartikel beschrieben hat. Ich suche das Bild mit der Trapez-Frau und entfalte das Foto aus der mir bekannten mageren Hinterlassenschaft des Alten, dessen obere Zahnersatzreihe sich ein bisschen ins Konterfei der Dame verbissen hat. Jetzt entdecke ich das Foto und den Artikel. Die ›Orthelly-Truppe‹, eine Artistenfamilie, gastierte unter anderem 1962 in Betzdorf. Die abgebildete Artistin könnte die Frau auf der Fotografie in meiner Hand sein. Es gibt einige Ähnlichkeiten. Sie passt ins Bild, das der Alte mir von seinem Leben gezeichnet hat. Aber die Artistin hier ist zu jung, um mit der Frau auf dem schwarz-weißen Foto identisch zu sein. Mutter und Tochter?
    Zufall, meint der Advokat und fügt in seiner sachlich, nüchternen Art an, dass meine Recherche-Fahrt absolut nichts gebracht habe. Damit möchte ich mich so nicht abfinden und notiere den Namen Lola Orthelly, denn man weiß nicht, wofür es gut ist. Manches erschließt sich erst später. Manches nie, besserwissert der Advokat. Wofür zum Beispiel waren die unzähligen kleinen, fetten Putten gut, die deine Ex in jeder Adventszeit auf allen Weihnachtsmärkten zwischen Wetzlar, Siegburg und Kreuztal gekauft hat, stichelt er. Denk ich an die Putten, fällt mir die Engel ein. Nett und gar nicht fett. Ob sie sportlich ist, frage ich mich, denn sie machte einen gut trainierten Eindruck.

21
    Wie es um meinen eigenen Trainingsstand bestellt ist, erfahre ich fünfundzwanzig Minuten später. Mein Auto spuckt und ruckelt. Trocken wie ein Zwiebackfurz bleibt es kurz vor der Auffahrt nach Frankfurt liegen. Schieben heißt die Devise. Zum Glück ist nicht viel Betrieb und zum Glück ist es nicht mehr weit bis zur Tankstelle. Keuchend betrete ich den Shop. Schnaubend steht Jupp (amtlich: Joseph) von Knittel, hiesiger Jagdpächter dritter Generation aus Hagen, im Gang zwischen Schnaps und Schokolade. Eine kleine Menschentraube, bestehend aus zwei mir unbekannten Männern sowie Rudi und Susanne, hat sich um ihn versammelt. Jupp ist sauer. Seine Fülle bebt und sein treuer Setter Holger von Eberdingen hat die Ohren zugeklappt und die Rute zwischen seine Beine geklemmt.
    »Krank, alle krank!«, spuckt es speichelsprühend aus Jupp raus.
    »Sauerei!«
    »Wer macht denn so was?«
    »Bestimmt die aus dem Osten.«
    »Ja, ja, bald sprechen wir hier alle russisch …«
    »Quatsch, türkisch. Hast du nicht gesagt, die Viecher seien geschächtet worden?«
    »Nix geschächtet, weiß ich nicht, ist mir auch egal. Wenn ich den erwische!«, drohend legt sich Jupps Finger um den Abzug seiner Jagdflinte. Jetzt hat er mich gesehen, hebt den Arm, die zwei Männer zwischen uns bilden eine Gasse, und Jupp stapft auf mich zu. Als unwissender Neuzugang in der Tanke bin ich der geeignete Mann, dem man den unglaublichen Frevel abermals erzählen kann. Die Stimmung schaukelt sich mächtig auf.
    »Das sind gewiss die Rumänen. Die, die freitags nachmittags mit ihren alten Wohnwagen unterhalb des Säuhofs aufschlagen …«, setzt der eine fort.
    »Schlachten die noch?«, will so ein ganz Dünner wissen.
    »Wer, die vom Säuhof?«
    »Nee, die zerlegen nur noch Rinder- und Schweinehälften«, weiß der Jagdpächter.
    »Auf jeden Fall«, versucht der

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