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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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Erstere seine Rede weiterzuführen, »auf jeden Fall verkaufen die Rumänen kofferraumweise Fleisch.«
    »Ja, und dem Otti pissen sie in den Garten …«, kommt es vom Dünnen.
    »Neulich hatten sie sogar noch einen Händler dabei, der Töpfe und Küchenkram vertickte. Ein richtiger Basar.«
    »Das wird hier immer schlimmer. Haben die nicht vor einer Woche auch auf dem Schrottplatz eingebrochen?«
    »Nee, das waren doch die Russen, die, die auch dem Hugo ein Pferd auf der Weide abgestochen haben«, sagt Rudi.
    »Das mit dem Pferd, waren das nicht die Jungs aus der Siedlung?«, wird von anderer Seite eingeworfen.
    »Hat man die je gekriegt?«
    »Wen jetzt?«
    »Sei doch mal still und lass den Rudi erzählen!«, wird der dürre Zwischenrufer abgewürgt.
    »Die sind in den Wald gerannt, auf und davon«, meint Rudi, der sich auf die Pferdestecher bezieht.
    »Sach ma, du haust doch auch im Wald?«, werde ich angegangen von dem Dünnen. Der Jagdpächter zuckt nervös mit dem Finger am Abzug.
    »Nicht hier«, klärt Rudi auf und verhindert was auch immer, denn noch weiß ich gar nicht, worum es geht. Die Erzählungen gehen kreuz und quer. Die, die schon wissen, was dem Pächter aus Hagen widerfahren ist, schalten sich immer wieder mit ihren Thesen und Geschichten ein. Oberhalb des Sportplatzes hätten Spaziergänger eine Art Tipi gefunden, die Polizei alarmiert und die habe daraufhin dort alles durchsucht und die Waffen aus dem Schützenheim gefunden. Bis auf eine. Den Kerl dazu habe man natürlich nicht entdeckt. Wieder gucken sie alle auf mich.
     
    Der Frevel in der Gemarkung des Jagdpächters Jupp von Knittel lässt sich so zusammenfassen: Eine Hirschkuh, ein Eber, ein kapitaler Zwölfender, drei Feldhasen, ein Frischling und, sozusagen noch warm, ein junges Reh. Das sei die Jahresbilanz eines Wilderers, ach was, ein viel zu freundlicher Begriff für den brutalen Killer – es war nicht nur ein Wilderer, es muss ein Ungeheuer im Forst gewütet haben, das Tiere töte, diverse Knochen entferne und den Rest einfach liegen lasse. Fleischverkaufende Rumänen würden das wohl nicht tun, folgert Kalle.
    »Welche Knochen fehlen denn?«, frage ich mich selbst, offensichtlich laut, denn die Kerle, allen voran der Hagener mit seinem Gewehr, schließen wie von unsichtbaren Fäden gezogen den Kreis um mich enger.
    »Du hast also doch damit zu tun, du weißt was«, geifert der Jagdpächter.
    »Nein, nein«, wehre ich ab, dabei meine Hände unschuldig in die Luft werfend, so wie es die Fußballer tun, wenn neben ihnen ein Gegner schmerzverkrümmt zu Boden geht, dabei einen Salto schlägt und theatralisch noch einige Meter weit rollt. Nur, dass die meist schuldigen Foul-Spieler ihre Hände schon himmelwärts heben, bevor der Schiri pfeift.
     
    Dass ich nichts mit fehlenden Tierknochen zu tun habe, muss ich hier ja wohl nicht betonen. Mich würde wirklich interessieren, welche Knochen speziell entfernt worden sind, daraus ergäbe sich vielleicht ein Muster. Für solche Feinheiten haben die Männer um mich herum keinen Sinn.
    »Nun sag schon, bist du so ein Schamane, so eine irre Type, die bei Vollmond nackt um ’ne Eiche tanzt, Moos und Gräser raucht, dazu Knöchelchen wirft …«
    »Die Edith, die hat doch beim Pilze sammeln so ein Waldmännchen gesehen und sich fast zu Tode erschreckt …«, sagt der Dünne.
    »Hätte sie sich mal …«, sagt der eine von eben.
    »Die Edith ist seine Frau«, flüstert mir Susanne ins Ohr, die sich beinahe unbemerkt hinter mich gestellt hat.
    »Warst du das etwa auch?«, will der Dünne wissen.
    »Was heißt hier überhaupt ›auch‹? Ich tanze nicht, ich schlachte nicht und ich hause auch nicht hier im Wald«, verteidige ich mich, denn der Finger des Jagdpächters zuckt noch immer nervös und der Lauf seiner Flinte zeigt noch immer grob in meine Richtung.
    »Jetzt macht mal halblang, Jungs«, schreitet Susanne ein, wobei sie eine Lage Kräuterkümmelfläschchen aus dem Regal nimmt, »unser Heiner hier, den kennen wir schon recht lange. Der tut so was nicht«, bemüht sie sich um einfache wie klare Worte, unterstreicht diese, indem sie mir ihre Hand auf die Schultern legt und den Kümmel verteilt. Einer gut aussehenden, alkoholverschenkenden Frau, die dazu in kurzen, verständlichen Sätzen redet, das vermeintliche Ungeheuer gar berührt, muss man glauben. Da bilden die sich wild gebärdenden Kerle in der Tanke keine Ausnahme. Die Lage ist entschärft, man stößt sogar mit mir an. Na, dann

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