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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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gewaltigen Krach und dem Mitreißen von steinernen Brocken fliegt die Hilti auf den Boden und ein Splitter mir direkt ins linke Auge. Der Dämel muss den Bohrer in der Wand stecken und in Betrieb gelassen haben.
    ›… satisfaction.‹
    Hölle noch mal, wie das brennt und sticht! Mir schießen die Tränen, der Bohrer windet sich am dicken Kabel zu meinen Füßen und vollführt wilde Zuckungen. Bilder eines unter Epilepsie leidenden Lehramtsanwärters während einer Fachrechnen-Lehrprobe aus meiner Berufsschulzeit kommen mir in den Kopf. Mit dem noch sehenden Auge erkenne ich, wo der Bohrer in ein Verlängerungskabel mündet und ziehe den Stecker. Kaum ist die Maschine stromlos gebändigt und der Lärm verhallt, höre ich ein Brett durch die Luft zischen.
    ›… ‘cause you see I’m on losing streak.‹
    Den Bruchteil einer Sekunde zu spät, oder zu früh, wer will es berechnen, drehe ich mich herum und sehe, wie die Bohle meinen Kopf zum Ziel hat.
    ›I can’t get no, oh no no no …‹
    Ich ducke mich weg, das Holz trifft seitlich auf meine rechte Schulter, mehr ein Streifschlag denn ein Volltreffer. Trotzdem, der Schmerz lässt mir nicht mal genügend Luft zum Fluchen. Selbst Mick Jaggers große Klappe in meinem Kopf erstarrt in Lautlosigkeit. Ich glaube, mein letztes manierliches Hemd ist zerrissen.
    »Kein falsch Bewegung, Freund!«, zischelt hinter mir eine dunkle Stimme mit Akzent. So wie meine Schulter und das Auge schmerzen, ist ohnehin jede Bewegung eine falsche. Es geht nicht anders, ich muss stöhnen und bilde mir ein, dass mit der abgehenden Atemluft der Druckschmerz in die Atmosphäre entweicht. Pfff.
    »Ganz langsam umdrehen!«, kommt eine neue Order irgendwo aus dem wallenden Bodennebel hinterrücks. Seit Neuestem kommt mir einiges amerikanisch vor. Harry wird doch nicht mit Mümmel verwandt sein?
    »Was du hier zu suchen?«, will derjenige wissen. Hatte Susanne nicht einen positiven Eindruck von dem Anrufer gehabt? Sie kann sich doch unmöglich so getäuscht haben. Du brauchst einen Plan, einen Schlachtplan. Der Typ hat die Bohle sicher noch in der Hand. Sobald du dich umdrehst, wirst du mit einem Panthersprung auf ihn zustürzen, schwebt Kalle meine zukünftige Handlung vor. Nein, das wirst du nicht tun, meint hingegen der Advokat, der auf meiner schmerzenden Schulter rhythmisch zu hüpfen scheint und mich über meine Lage juristisch gesehen aufklärt. Ich sei hier unbefugt eingedrungen und habe das Recht somit nicht auf meiner Seite. Klugscheißer.
     
    »Giacomo! Was tust du da? Leg das Brett weg!«, sagt ein Mann in der Art, wie man mit hyperaktiven Kindern nach einer Woche verregneten Campingurlaubs spricht. Er kommt größer werdend durch die Tür herein, die aus dem Keller herausführt.
    »Und hol das Verbandszeug!« Giacomo hinter mir scheint wohl nicht so recht zu verstehen, es braucht eine Erläuterung.
    »Aus meinem Auto. Die graue Kiste …« Es scheppert hölzern. Dann hinkt Giacomo davon. Ein Kerl von zwei Metern mit einem Kreuz so breit, dass da Vincis letztes Abendmahl originalgetreu darauf tätowiert werden könnte. Sein Gesicht bleibt mir verborgen, doch ein Blick in seinen pelzigen Stiernacken lässt etwas gröbere Konturen vermuten als die von Leonardo DiCaprio.
    Da kannst du noch froh sein, flüstert Kalle, dass der dich nicht in zwei Hälften zerlegt hat.
    »Sie müssen entschuldigen«, kommt das Herrchen des Ungetüms freundlich lächelnd auf mich zu. Irgendwas hat der mit seinen Zähnen gemacht, denke ich und lächle automatisch zurück, obwohl ich ihn zur Sau machen sollte. Denn so ein Typus gewaltbereiter Mensch gehört angeleint.
    »Nein«, antworte ich, »das ist nicht zu entschuldigen. Der Kerl hätte mich fast erschlagen. Ich habe doch ›Hallo‹ gerufen, komme nichts ahnend hier herein und dann trifft es mich aus dem Hinterhalt. Das ist doch keine Art!«, rede ich mich in Rage.
    »Sie haben ganz recht. Wissen Sie, ich suche händeringend nach einem Handwerker. Heute noch wollte sich einer melden – aber, ist ja auch kein Verlass mehr auf die Leute …«, gerät er ins Jammern, dabei fährt er sich mit den Händen durchs volle dunkle Haar. Er trägt breite Ringe, eine Designerjeans im Used-Look und ein betont lässiges, bügelfreies Hemd aus einer noblen Herrenkollektion, notiert der Advokat, der einen geschärften Blick für teure Klamotten hat. Aber ich sehe auch, dass die Kleidung schon häufiger gewaschen wurde und stellenweise, man beachte den Kragen, vom

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