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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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echtes Interesse«, jetzt taucht sie tiefer in die Truhe, um einen Karton Nogger herauszuholen.
    »Na ja, aber kein …«
    »Dass er noch kein Telefon hat, konnte er mir auch erklären, die Telekom hat den Anschluss noch nicht freigeschaltet, er telefoniert vom Zeitungsladen aus … wäre auch so ein Projekt, um das du dich kümmern könntest, den Telefonanschluss – auch abgelaufen«, sie wirft den Karton auf den gestapelten Alteisberg.
    »Was genau …«
    »Eine Kneipe.«
    »Hat nichts mit dem …«
    »Nee, der hieß sicher nicht von Knittel«, kommt es ein wenig zögerlich. So sicher klang das aber jetzt nicht, meint auch Kalle. Dieses Russenpuppengefühl will sich wieder einstellen, doch Susannes Bewegungen vor der Truhe lenken mich ab, denn sie taucht abermals in die Kälte … Köpfchen in das Wasser …
    Ich mag Gespräche wie diese nicht besonders. Warum sagt sie nicht gleich, was ich wissen will, wenn sie doch zu wissen scheint, was ich wissen will.
    »Willst ’n Himbeerbecher?«
    »Ich fahr dann mal.«
    »Bitte!«, ruft sie noch hinter mir her.
    »Danke!«, rufe ich noch zu ihren Apfelbacken in knallengen Jeans herüber … ›Schwänzchen in die Höh‹, singt der kleine Detektiv und ahnt nicht, wie recht er damit hat.

25
    Zündung aus und rollen lassen, so weit es geht, ist normalerweise meine Devise. Die Fahrt durch das Siegtal bietet dazu wenig Chancen, aber dafür auch keine Dritter-Gang-Steigung. Die sieben ersten Töne meines ersten Mundharmonikaliedchens gehen mir mittlerweile auf die Nerven. Ich sollte autodidaktisch langsam mal weiterkommen. Missmutig lege ich die Harp beiseite. Mit der vorausschauenden Art zu fahren spare ich eine Menge Sprit, rede ich mir ein. Im niedrigen Drehzahlbereich gelange ich zur angegebenen Adresse. An der Durchgangsstraße finde ich tatsächlich links eine Kneipe hinter Herdorf, die ich noch von früher kenne. Sie hatte den Namen eines Musikstils, es ging um Jazz, meine ich mich zu erinnern. Auf jeden Fall lief dort immer gute Mucke, Rock, Independent, alte Klassiker wie die von den Rolling Stones, Uriah Heep und Neil Young, genau mein Ding.
    ›I can’t get no satisfaction.‹
    Hätte die Kneipe in Siegen gestanden, wäre sie sicher damals jeden Abend brechend voll mit Studenten gewesen. Hier in der Walachei bekam man selbst an einem Freitag meist einen Sitzplatz, entweder auf einem der alten Sofas oder den durchgerutschten Stühlen. Schön jedenfalls, dass noch mal einer etwas aus dem seit einigen Jahren leer stehenden Gasthaus macht. Bin gespannt, wie das Ding jetzt innen aussieht. Von außen hat das alte Haus eine großzügige Holzveranda bekommen. Die macht was her.
    ›Hey, hey, hey, that’s what I say.‹
    Von innen höre ich Handwerkerlärm, ein hämmerndes Rattern, das die Fensterscheiben erzittern lässt. Eine Bohrmaschine arbeitet sich schwer durch dicken Stein, verrät ein unrhythmisches Poltern, und ein lautes ›Fuck‹ gibt darüber Auskunft, dass es keine leichte Übung ist. Da der Lärm verhallt und das Licht erloschen ist, kann dies nur bedeuten, dass hier jemandem die Sicherung durchgeknallt ist.
    ›I can’t get no girl with action.‹
    Ich nutze die Gelegenheit, die breite Treppe, zwei Stufen auf einmal nehmend, hinaufzuhechten und an die angelehnte Tür zu klopfen, aus der Staubwolken ins Freie schweben. Niemand antwortet. Der Flucher wird sich auf den Weg zum Sicherheitskasten gemacht haben. Vorsichtig spähe ich durch den Türspalt.
    ›Cause I try and I try …‹
    Nach einer Eröffnung gestern sieht das hier wahrlich nicht aus. Ich erahne im Halbschatten von der Decke hängende Stromkabel, das Parkett hat unterm Dreck sicher schon ein Jahrhundert auf dem Eichenbuckel und tausende von Kippen in den Fasern. Ein Haufen Schutt liegt vor der Theke, die sich von rechts in einer Kurve in den Raum erstreckt. Weiter ist die Sicht durch Staub und mangelndes Licht behindert. Ich schließe demnach aus, dass es sich bei dieser Location um die des Hermann von Knittel handelt, der laut seinem Bruder seinen gastronomischen Betrieb schon aufgenommen haben soll. Meinem Hallo-Ruf antwortet nur ein hohler Schall.
    ›I can’t get no …‹
    Arbeit gibt es hier zur Genüge. Bleibt die Frage, ob der Kerl meinen Einsatz auch bezahlen kann. Neugier treibt mich durch die Tür. Nachdem ich zwei Meter weit im Raum stehe, gehen plötzlich der Bohrer und das Licht an. Die Maschine befindet sich in meiner Unmittelbaren. Der Lärm ist ohrenbetäubend, und mit einem

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