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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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Träger durchgescheuert ist, hier war mal viel Geld, vielleicht ist auch noch welches da, fasst der Advokat die finanzielle Lage meines potentiellen Arbeitgebers zusammen. Vielleicht doch einer aus der Knittel-Dynastie? Ob ich mich gar nicht erst als der Handwerker vorstellen sollte, der sich melden wollte und mich lieber verdrücken sollte? Nein, das geht mir gegen den Strich. Zu viele Konjunktive. Ich stehe zu meinen Versprechen, besonders, wenn sie durch eine sehr nette Bekannte gegeben wurden. Wer nicht wagt, hat schon verloren, wirft sich Kalle mit einem Spruch in die Brust, den er Tick, Trick und Track entliehen haben muss. Währenddessen betritt der Riese den Raum mit einem Verbandskasten in der Hand. Okay, vielleicht doch besser Rückzug, meint Kalle kleinlaut, nachdem er ins Gesicht des Giacomos geguckt hat. Es ist gar nicht mal so grobschlächtig, wie ich erwartet hatte, nur irgendwie schief mit tief liegenden Augen, deren Blick düster ist. Wäre sein Gesicht weniger asymmetrisch, könnte er mich an Antonio Banderas als Zorro erinnern.
     
    »Heiner Himmel mein Name. Ich hatte annonciert und Sie haben mich angerufen«, von wegen kein Verlass mehr, auf mich ist immer Verlass, ergänze ich im Innern und füge an, dass ich mich nicht von komischen Vögeln, die rohe Gewalt ausstrahlen, beeindrucken lasse.
    »Heiner, Sie schickt der Himmel!«, strapaziert mein Gegenüber ein mir wohl bekanntes Wortspiel, das schon einige meiner Begegnungen verwendet hatten, bevor sie mich zur Hölle wünschten, wie zuletzt meine Exfrau Marie.
    Jetzt streckt der Kerl mir seine Hand entgegen, langt sich die meine und schüttelt sie kräftig, zum Glück ist es die, die an dem Arm hängt, dessen Schulter nicht unterm Schlag zu leiden hat. Er stellt sich mir als Harry vor, einfach Harry. Giacomo hätte ich ja bereits kennen gelernt. Der nickt und legt mir mit einer Geschicklichkeit, die nach seinem ersten Auftritt verwundert, die verletzte Schulter frei. Er scheint in seinem Element zu sein, als er die Schürfwunde begutachtet, zu einem Desinfektionsspray greift und die offene Stelle besprüht. Währenddessen erfahre ich von Harry, dass Giacomo eine Art Physiotherapeut in seiner Heimat war, er sei Kosovo-Albaner mit einer italienischen Mutter und einem albanischen Vater, dessen Wurzeln wiederum am Bosporus gelegen hätten. Giacomo sei derzeit nur geduldet, habe Asyl beantragt und sei seit zwei Wochen bei ihm. Er könne arbeiten wie ein Stier, ein wenig sieht er auch aus, als sei er mit einem von der Gattung verwandt, wirft Kalle ein, wäre im Grunde aber sanft wie ein Lamm, charakterisiert Harry den Kerl, der gerade einen Funktionstest mit meiner Schulter durchführt und zu dem Ergebnis gelangt, dass alles in Ordnung zu sein scheint. Das, was sich wie ein Granatensplitter in meinem Auge angefühlt hat, hat sich als Mörtel erwiesen und ist mit meinem überfließenden Augengewässer weggespült worden. Wir sitzen auf einem der alten Sofas, einem Überbleibsel des früheren Betriebes, von außen betrachtet kommt mir das Bild von Wum und Wendelin auf dem roten Polster in den Sinn, und Giacomo fordert mich auf, mich hinzustellen, ich sei schief, sagt er. Zum Glück habe ich keinen Knoten im Ohr, denke ich. Für Schieflagen scheint er Experte zu sein, frotzelt Kalle im Hinblick auf Giacomos Gesichtszüge. Er könne mich einrenken. Ich verzichte freundlich ablehnend.
    »Vielleicht ein andermal«, entgegne ich in seine rechte Gesichtshälfte und stelle mir einen Rüssel vor. Bist du sicher, will Kalle wissen, dass das Brett deinen Kopf verfehlt hat?
    Jetzt musst du Schadenersatz für das kaputte Hemd einfordern, rät der Advokat. Ich betrachte also eingehend meine gewrackte Oberbekleidung und Harry kapiert:
    »Wir haben ja ungefähr die gleiche Größe, so können Sie ja nicht vor die Tür. Ich schenke Ihnen eines von meinen Hemden. In Ordnung?« Geld wäre mir lieber. Was soll ich mit einem abgelegten Schicki-Micki-Fummel?
    »Hier haben Sie noch Spritgeld … arbeiten wollen Sie sicher jetzt nicht mehr für mich«, spricht Harry mir ins enttäuschte Gesicht, das ich wohl noch zur Schau trage, nach seiner Offerte, mir eines seiner Hemden zu geben.
    »Behalten Sie Ihr Hemd, ich nehme das Spritgeld und den Job, falls Sie einen, der im Normalfall krankgeschrieben würde, beschäftigen wollen.«
    Hey, du machst dich, meint der Advokat, nicht immer nur dulden, endlich auch mal fordern, aber, fügt er an, hier zu arbeiten, hältst du das für

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