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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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dabei wedelt er mit einem offiziell aussehenden Zettel herum. Wahllos vom Tisch gegriffen, bewertet der Advokat mit einem Hauch von Langeweile die hektisch wütende Papierwink-Einlage des Polizisten. Wollen wir hoffen, dass er recht hat, denke ich mir, verkneife mir die Frage, aus welchen Beweggründen ich einen alten Mann umbringen sollte und beschließe den geordneten Rückzug.
    Gleich wird er mir noch knurrend sagen, ich solle den Distrikt nicht verlassen, dabei wird er sich das Pistolenhalfter zurechtrücken, ganz so, wie seine amerikanischen Kollegen aus den bekannten Filmen, die sich bei solchen Dialogen auch schon mal mit gespielter Lässigkeit den Schweiß der kalifornischen Sonne mit einem schmutzigen Taschentuch von der Stirn wischen.
    »Ich würde an deiner Stelle derzeit nicht verreisen«, Mümmel stemmt sich aus dem Schreibtischstuhl, wobei dessen Armlehnen störrisch dagegen halten, bis er sie geräuschvoll wegdrücken muss, »solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind.« Jetzt rückt er das vom Klammergriff der Armlehnen verrutschte Pistolenhalfter an seinem Gürtel zurecht. Mit Mühe unterdrücke ich ein Grinsen, das sich meines Gesichtes bemächtigen will.
    Hier, in Tante Margarethes ehemaligem Kramladen, fehlt neuerdings ein amerikanischer Deckenventilator, fällt mir beim Verlassen des Dorfsheriffbüros auf.

24
    Elle, Speiche, Schlüsselbein, Knochenschwund auf dem Friedhof, unvollständige Tierkadaver. Ich lege den Becher Fleischsalat in die Kühltheke zurück und greife zum Camembert, dazu Schnittbrot, einen Pott Joghurt und einen Sixpack Mineralwasser, noch mal zurück zum Obst, fünf Bananen, das wird für die nächsten Tage reichen. An Tagen wie heute zwinge ich mich zum Einkaufen. Die Fülle der Läden überfordert mich, wenn ich Hunger habe, laufe ich Gefahr, zu viel einzupacken, habe ich es satt, so generell, dann verlasse ich den Supermarkt mit dem Nötigsten, um das Überleben für zwei, drei Tage sicherzustellen.
    Elle, Speiche, Schlüsselbein, was sollte die laut Mümmel ›kranke Sau‹ wohl mit diesen Teilen des Alten veranstaltet haben, die Frage geht mir nicht aus dem Sinn.
     
    Heute müsste meine Annonce in der Zeitung erschienen sein. Mit dieser ganz speziellen Art von Aufregungsungeduld, einer Grundnervosität, die immer dann entsteht, wenn man nicht weiß was, auf einen zukommt und ob überhaupt etwas kommt, fahre ich zu meiner derzeitigen Basisstation.
    »Na, wie war es bei der Bullerei?«, will Rudi wissen, wobei er sich offensichtlich auf dem Sprung zu einem Einsatz befindet. Ich gebe daher lediglich einen Grunzlaut von mir, der so viel ausdrücken soll wie, jooo, ging so, wie soll es schon gewesen sein … Rudi versteht und mit einem:
    »Nodda«, verlässt er die Tankstelle, um kurz darauf auf dem Bock des Abschleppwagens das Gelände in Richtung Hessen zu verlassen.
    »Ein Anhänger mit sieben Rundballen ist samt Jeep in einen Graben gerutscht, Nähe Altenseelbach«, gibt Susanne mir Auskunft und meint kopfschüttelnd, »manche Leute machen Sachen … sieben Rundballen auf einem kleinen Einachser.« Noch bevor ich fragen kann, ob jemand für mich angerufen hat, sagt sie, wobei sie die Eistruhe nach abgelaufenen Flutschfingern durchforstet:
    »Da hat jemand für dich angerufen. Ich hab alles notiert, der Zettel liegt neben dem Telefon.« ›Alles notiert‹ halte ich für eine Übertreibung. Ich finde einen Kassenbon, auf dessen Rückseite eine Adresse im Kreis Altenkirchen und ein Name steht. Keine Telefonnummer, kein Hinweis, was zu tun ist. Gerade, als ich einatme, um Luft für meine Fragen zu haben, taucht Susannes Kopf aus der Kühltruhe auf.
    »Der hat noch kein Telefon, wenn dir was an einem Job läge, solltest du einfach vorbeikommen. Er ist da. Ich habe gesagt, du kämst. Ja, und dass du alles kannst, von wegen handwerklich begabt und so. Ein wahres Ass wärst du, vor allen Dingen im Bereich Metall, Bohren, Drehen, Fräsen, Kassieren, Zuhören, alles kein Thema.« Was ist denn das für eine Zusammenstellung, wundere ich mich über das Profil der Stelle, die ›Harry‹, lese ich den Namen bewusst noch mal, anzubieten hat.
    »Und das war …«, beginne ich eine vorbehaltvolle Frage zu formulieren, Susannes Hinterteil im Visier, ihr Kopf in der Truhe. Trotz teilweiser Abwesenheit setzt sie den Ansatz meiner noch nicht gesprochenen Äußerung in eine Antwort um und ruft halb über ihre Schulter:
    »… kein Dummschwätzer, nun ja, klang jedenfalls, als habe er

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