Totenklang
bringen.«
Kaum dass Brandt den Satz beendet hat, fällt die Schuppentür zu, durch die spärlich das Licht hineinfiel. Wir stehen im Dustern. Lediglich durch die Fugen der Verbretterung und einige Astlöcher sehen wir den Staub tanzen. In einer wütenden Attacke, die ich dem feingliedrigen Bestatter gar nicht zugetraut hätte, rennt dieser gegen das Holz. Vermittelte die Tür bislang einen fragilen und morschen Eindruck, belehrt sie uns jetzt eines Besseren. Sie scheppert ein wenig, doch gibt nicht nach. Mit schmerzverzerrtem Gesicht muss Brandt aufgeben. Mit Wut ist die Tür nicht zu bezwingen, vielleicht mit List. Während Brandt flucht, suche ich nach einem geeigneten Werkzeug, die Tür aus den Angeln zu befördern. Ein Geißfuß wäre klasse. Brandts Hilferufe werden vom Getöse einer Baumaschine übertönt. Der Abgasgeruch eines Baggers oder einer Raupe erfüllt schnell das Innere des Schuppens. Ach du Kacke, schreit Kalle, Heiner, so tu doch was! Panisch suche und wühle ich mich durch alle Ecken des Verschlages. Was meine Hände zu fassen kriegen, ist absolut nicht geeignet, eine Tür auszuhebeln. Holzstiele, Geräteköpfe, Schubkarrenräder, da, das fühlt sich wie Metall an, scheiße, viel zu leicht, es ist nur ein Aluminiumstiel. Brandt fängt schon mit Wimmern an und auf dem Boden kauernd, buddelt er wie ein Welpe unterhalb der Tür herum. Jetzt endlich finde ich einen Spaten, mit dem Teil müsste es möglich sein, die Tür hochzudrücken, denn sie geht nach außen auf, wie ich noch vor fünf Minuten feststellen musste, als sie mir beinahe vor den Kopf flog. Ich schiebe Brandt ein Stück zur Seite und ramme den Spaten unter die Tür, gut, dass Helfried da ein wenig gegraben hat. Außer dass sich der Holzstiel merklich krümmt, rührt sich kaum etwas. Verdammt. Draußen knacken bereits die ersten Äste um uns herum. Ich kann mich erinnern, dass der Verschlag hinter einer Menge Gesträuch liegt.
»Ich weiß gar nichts darüber, dass das Ding abgerissen werden soll. Welcher Armleuchter hat mir das nicht gesagt!«, brüllt Brandt. Dass sich das möglicherweise nicht um einen geplanten offiziellen Abriss handelt, spreche ich im Moment lieber nicht an. Was verliert man oft am schnellsten aus dem Blick, frage ich mich hingegen. Das, was über einem liegt, weiß ich aus der Ausbildung, während der ein T-Träger mich beinahe erschlagen hätte, da sich die Verankerung eines Drahtseils vom Deckenkran gelöst hatte. Das Dach. Vielleicht können wir über das Dach entkommen. Die Hütte wackelt bereits bedrohlich. Mir scheint, als habe sich die Baumaschine bis zur Wand, an der die Werkbank steht, vorgearbeitet. Ich erklimme eine Leiter, die gegenüber steht, und stemme mich mit dem Oberkörper, der gesunden Seite, gegen eine Dachlatte, die tatsächlich nachgibt. Ein Haufen Dreck fliegt mir um die Ohren, als die Nägel sich berstend vom Gebälk trennen.
»Hier herüber!«, rufe ich Brandt zu, während ich mich an die nächste Latte mache, da der Durchlass noch zu schmal ist. Der Lärm des Baufahrzeuges übertönt mich beinahe. Der Schuppen erbebt erheblich unter dem Aufprall der Abrissgewalt. Erste Bretter ragen ins Innere und von meiner Position aus kann ich durch den Staub verschwommen wahrnehmen, was da draußen am Werke ist. Ein stattlicher gelber Bagger, dessen Schaufel sich erhebt, um auf das Dach niederzugehen. Schnell strecke ich meinen Kopf aus dem Schuppen und brülle so laut ich kann:
»Haaaaalt!«
Das Dach hat eine leichte Sattelform und so kann mich der Baggerfahrer nicht mal sehen. Gehört hat er mich offensichtlich auch nicht, denn die Schaufel saust in dem Augenblick auf das Dach. Es ist nur zu spüren, nicht zu erkennen. Ruckzuck ziehe ich meinen Kopf wieder ein, da ich nicht riskieren will, ihn einzuklemmen. Im Schuppen selbst ist es kaum heller durch das Loch im Dach geworden. Eigentlich müsste das marode Teil wie ein Kartenhaus zusammenfallen, doch die Seite, auf der wir uns befinden, ist noch halbwegs intakt. Es gelingt mir, eine weitere Latte herauszustoßen. Feuchtes Moos landet auf meinem Kopf. Jetzt ist die Öffnung groß genug, dass wir hinausschlüpfen können. Ich bin schon oben und reiche Brandt die Hand, der wie ein Eichhörnchen die Leiter hinaufgewieselt kommt. Der Bagger greift zeitgleich wieder an. Da der Schuppen an die Grünschnittcontainer grenzt und es nur einen Meter weit und zwei Meter tief zu springen gilt, ist es notwendig, dass ich meine Abneigung, irgendwo
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