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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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herunterzuspringen, schnellstmöglich ablege. Bleibt zu hoffen, dass im Container keine spitzen Grabumrandungen unter den ersichtlichen Tannenzweigen liegen. Die nächste Erschütterung überredet mich zum Sprung. Brandt folgt mir mit nur einem Sekundenbruchteil Abstand.

40
    Ach du Kacke, ruft Kalle wieder. Tannenzweige zerkratzen mir die Waden, immerhin durchbohrt mich kein Pflock von unten.
    Keuchend hocken wir im Container. Wäre das hier jetzt ein Film, käme gleich ein Müllwagen und würde uns aufladen. Hinter uns hören wir es krachen. Der Bagger scheint sein Werk vollbracht zu haben. Als Helfried Brandt aufspringen will, halte ich ihn zurück.
    »Was, wenn der Abriss keine geplante Aktion war?«
    »Sie meinen …« Ich nicke. »Ja, dann erst recht«, springt er wieder auf. Da wir ziemlich tief im Container sitzen, können wir soeben über den Rand schauen. Helfried wird meine Hilfe brauchen, wenn er hier rauskommen will.
    »Langsam. Erst mal gucken, wer den Bagger fährt. Sie glauben doch wohl nicht, dass derjenige, der uns willentlich im Schuppen einsperrt, Halt davor macht, uns mit der Schaufel eins überzubraten, wenn er merkt, dass wir den Anschlag überlebt haben!«
    »Sicher, aber«, Brandt fällt in sich zusammen, »wer würde denn so etwas tun? Nein, ich glaube das nicht. Ich will das nicht glauben.«
    »Ich auch nicht, trotzdem. Wenn es ein Versehen war, wird sich das klären«, sage ich mit einer Entschlossenheit, die Wirkung zeigt. Brandt bleibt neben mir in einem ausgedienten Kranz sitzen: Im Gedenken, Deine Sangesbrüder MGV Concordia.
    Das Getöse des Baggers schwellt auf und ab. Man hört die Bretter knacken, ein lauter Krach lässt vermuten, dass das Dach komplett zum Einsturz gebracht worden ist. Die Sicht auf den Baggerfahrer dürfte nur noch vom Dreck behindert werden, dessen Schwaden auch auf uns niederrieseln.
    Um einen besseren Überblick zu erhalten, müsste einer von uns seine Nase etwas weiter über den Containerrand strecken.
    »Räuberleiter«, sage ich und halte Helfried meinen Steigbügel hin. Als er mit seinen Radschuhen hineintritt, Jesses, tut das weh, versinken wir ein kleines Stück im verblühten Unglück Angehöriger der Friedhofsgemeinschaft. Vorsichtig schiebt sich Brandt über die Containerkante. Mir brechen gleich die Finger entzwei. Wenn man nicht auf den Schmerz achtet, soll es auszuhalten sein. Reine Kopfsache, sagte der grausame Handballtrainer aus meiner Jugendzeit immer, wenn er uns an die fünfzig Liegestütze auf den Fäusten machen ließ. Im Kies, wenn es nach ihm gegangen wäre, doch in der Halle gab es keinen.
    »Ich kann nichts erkennen«, sagt Brandt und dass ich ihn ein wenig höher heben soll, dann käme er vielleicht auch hier heraus. Besser, ich versuche das, als dass er auf die Idee kommt, mit den Radeisen auf meine Schulter zu steigen. Gleichzeitig hoffe ich, dass er mich nicht für einen Fahrstuhl hält und seine eigenen Arme dazu benutzt, um sich über die Kante zu stemmen. Fehlanzeige.
    »Schon besser!«, ruft er und dann:
    »Das gibt’s doch nicht! Jürgen! Was zur Hölle tust du da?« Was zur Hölle tut Helfried da, meckert Kalle und ich kann nicht mehr. Mehr oder weniger unsanft lasse ich meinen Chef fallen. Meine Handflächen ziert ein halbrunder, hufeisenförmiger Abdruck.
    »Wer, verdammt, ist Jürgen?«, fluche ich in Anbetracht des Schmerzes, der nur langsam nachlässt.
    »Der ist vom Bauhof. Ich weiß gar nicht, was der hier treibt. Ich muss da wieder hoch.« In Erwartung meiner Hilfe hebt Helfried das Bein.
    »Nein, tut mir leid, ich kann grad nicht«, sage ich und knete meine Hände derart, dass Brandt sehen kann, welchen bleibenden Eindruck seine Schuhe bei mir hinterlassen haben.
    »Oh«, sagt er nur.
    »Jetzt können Sie nichts mehr zur Anzeige bringen. Alle Beweise platt«, bemerke ich, wobei mir das Ding in meiner Hose einfällt. Psst, zischt der Advokat konspirativ, wer weiß, wozu uns dein Taschenknochen noch nützlich sein kann.
    »Aber Sie sind mein Zeuge. Ich werde nicht eher ruhen, bis die Sache aufgeklärt ist.«
    »Wir sollten auch abwarten, was Jürgen zu sagen hat.« Meine Waden fangen an zu jucken. Irgendwas von dem absterbenden Grünzeug scheint eine allergische Reaktion bei mir auszulösen.
    »Jürgen Stiller heißt er, der wird kaum was zu sagen haben«, vermutet Brandt mit einem ironischen knappen Lacher. Zum Glück heißt er nicht Tauber, denke ich und hoffe, dass er unsere Rufe hören wird, sobald der Höllenlärm

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