Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
Vom Netzwerk:
seiner rund zwanzig Tonnen Abrissgewalt nachlässt.
     
    Gleich müsste Mittag sein. Da machen Bauhofmitarbeiter pünktlich Pause.
    Eine Kirchturmuhr hat den zwölften Schlag noch nicht getan, da erstirbt der Sechs-Zylinder-Deutz-Motor. Brandt brüllt augenblicklich los, und nach dem zweiten Jürgen-Ruf erscheint ein unrasiertes Gesicht über der Containerkante. Was wir denn da machten, siegerländert es aus dem Mund, in dem eine frisch angezündete Kippe wippt. Ich sehe echte Verwunderung in den Augen des circa fünfzigjährigen Baggerführers.
    »Hilf uns mal hier raus!«, befiehlt Brandt und Jürgen kratzt sich am Hinterkopf. Bis eben habe er ja noch Zugriff auf eine Leiter gehabt, aber die sei wohl jetzt platt, meint es aus einem Rauchschwall heraus. Ganz helle ist der aber auch nicht, versucht sich Kalle an einer ersten Einschätzung. Wir sollten warten, er habe ein Idee.
    Jürgen wirft hörbar den Bagger wieder an und binnen Kurzem ragt dessen Unheil bringende Schaufel zu uns in den Container. Wir klettern drauf. Brandt ohne zu zögern, nun gut, er scheint der Ansicht, dass von Jürgen keine Gefahr ausgeht. Es ruckelt und nach einer kurzen Zeit in der Schwebe haben wir wieder festen Boden unter den Füßen.
    »Du hättest uns um ein Haar umgebracht!«, wettert Brandt los und Jürgen guckt verdutzt.
    »Ihr komischen Kerle, früher sagte man danke, wenn einem jemand geholfen hat«, mault er und will gehen.
    Entweder ist an dem Typ ein guter Schauspieler verloren gegangen oder der hat wirklich keine Ahnung, dass wir in der Bretterbude waren, stellt der Advokat fest. Hanfs Verschlag ist nur noch ein Haufen Schutt.
    »Entschuldigen Sie«, lenke ich ein, »aber wir waren bis eben noch in der Hütte, die Sie abgerissen haben.«
    »Wie jetzt?«, fragt er und kratzt sich wieder am Hinterkopf. Helfried Brandt lässt es sich nicht nehmen, Jürgen von der Todesgefahr zu berichten, in der wir eben noch gesteckt haben. Jürgen Stiller wird unterdessen immer stiller. Ich habe ihn genau beobachtet. Seine Gesichtsfarbe hat sich von rosig über rötlich bis blass gewandelt. Direkt auf seine Schuld angesprochen, wird sie sogar grünstichig, um den Mund herum ist Jürgen eher gelblich, was vielleicht auch an dem Kippenstummel liegt, der ihm fast die Lippe versengt. Reval ohne Filter. Die nimmt er raus und steckt an deren Stelle eine neue, zündet sie an und sagt dann:
    »Nä, damit habe ich nichts zu tun.« Der Bauamtsleiter hätte ihn angerufen und gesagt, er solle mal eben die Hütte abreißen, das böte sich an, da er sowieso die alten Gräber heute einfrieden soll. Wenn er nun schon einmal da sei, wäre das passend. Brandt stutzt daraufhin und hakt nach, ob es denn üblich sei, dass er, kleines Rädchen im Getriebe, vom Bauamtsleiter persönlich angerufen würde, woraufhin sich Stiller am Hinterkopf kratzt und zugibt, dass dies das erste Mal der Fall gewesen sei und er zuvor nie mit dem Bauamtsleiter gesprochen habe. Toll, resümiert Kalle. Gut zu wissen, zieht der Advokat seinen eigenen Schluss und meint, wenn er in seinem Garten einen Pool bauen wolle, würde er auch gleich den Jürgen anrufen und sagen, er solle mal eben ein acht mal vier Loch ausheben. Du hast gar keinen Garten, denkt Kalle.
    »Na, prima, du, du, du«, stammelt Helfried Brandt und schimpft:
    »Ist man denn hier nur von Idioten umgeben?« Stiller schüttelt verständnislos mit dem Kopf und murrt, wie gut es sei, dass man den, er nickt in Richtung des sich entfernenden Bestatters, nur auf die Toten losließe.
    »Haben Sie die Tür zur Hütte verriegelt?«, will ich noch wissen.
    »Nä«, sagt Jürgen einsilbig und gesehen habe er auch niemanden, erfahre ich auf weitere Nachfrage. Meine letzte Idee rufe ich ins Kreuz des Baggerfahrers, der rauchend und mit großen Schritten seiner Mittagspause entgegenstrebt.
    »Und gehört?«
    »Eh?«, murrt es.
    »Haben Sie jemanden oder etwas gehört, bevor Sie loslegten?«, formuliere ich eine ganze Frage.
    Jürgen bleibt stehen, kratzt sich am Hinterkopf, wobei ich jetzt sehen kann, welche Technik er dabei anwendet. Er reibt sich die Kopfhaut mit den Knöcheln. Ist vielleicht schonender bei einer solchen Angewohnheit. Er dreht sich andeutungsweise ein wenig herum und um die Kippe verlassen Details seinen Mund:
    »Calibra, 89’er Modell, 2 Liter, 16 V, mit schlecht eingestelltem Motor, viel zu hochtourig.«
    Das Gespräch ist nun definitiv zu Ende, denn Jürgen geht mit großen Schritten und unter Zulegen eines weiteren

Weitere Kostenlose Bücher